Kapitel 1 — Warum muss der demokratische Prozess transformiert werden?

Staaten lösen sich auf, Zusammenschlüsse wie die Europäische Union übernehmen immer mehr staatliche Aufgaben. Durch die Globalisierung wird die Welt immer bekannter (kleiner) aber die eigene Umgebung immer fremder (anonymer). Darum ist es wichtig lokal und regional die Augen auf zu machen. Globale komplexe Probleme lassen sich viel besser in der eigenen Nachbarschaft in Angriff nehmen als weltweit. Unterschiedliche ortsbezogene Rahmenbedingungen benötigen individuelle Lösungen für gleiche Probleme — Wer kennt diese besser als die Bewohner einer Region. Wir müssen unsere Rolle als Bürger mit Rechten, Pflichten und Möglichkeiten zur Partizipation nutzen. Wir müssen uns mit unserem Umfeld, Quartier und unseren Nachbarn auseinandersetzen. Wir müssen politisch, gesellschaftlich, bürgerlich aktiv werden, weil der Staat immer öfter für größere statt kleiner Skalierungen da ist — uns aber Rahmen schafft, in denen wir freiheitlich, gerecht und menschlich handeln können. Die Demokratie ist in meinen Augen das höchste Gut einer Zivilgesellschaft und sollte geschützt, gepflegt und weiterentwickelt werden. Schon allein die unzähligen Antworten auf die Frage: Was ist für Dich Demokratie? zeigt, die Offenheit, die durch ein paar wenige Regeln das Zusammenleben der Menschen erleichtert.

Eine allgemeiner Aufwärtstrend zur Bürgerbeteiligung ist seit Occupy Wallstreet, Stuttgart 21, Pussy Riot, No-Legida und den vielen Flüchtlingshelfern aus der Bevölkerung zu sehen. Nach einer aktiven Beteiligungsphase nach dem 2. Weltkrieg und vor allem in den 1970er Jahren der in der BRD, veranlasste die Wende einen starken Rückgang. Die Gründe sind komplex und reichen von mangelnder politischer Bildung für die neuen Bundesbürger, über Oppositionsstärke bis hin zu Bequemlichkeit und Resignation. Seit 2011 gibt es wieder vereinzelt, spontane Zusammenschlüsse, die gemeinsam eine »Ungerechtigkeit« demonstrieren. Mit Unterstützung der Social-Media-Kanäle sind Adhoc-Aktionen leicht realisierbar. Aber wie können im kleinen, lokalen, regionalen Raum, »Unstimmigkeiten« und »Missstände« nicht nur angeprangert, sondern vielseitig kommuniziert, diskutiert und Handlungsräume erarbeitet werden? Es geht darum zur Antihaltung, lauten Rufen, Aufbegehren und Provokation Alternativen wie konstruktives Miteinander, Nachbarschaft, Diskurs, Aktionen, Aufgaben- und Ressourcenteilung zu fördern. Was kann ich als Designer dazu beitragen? Wie muss ein Werkzeug aussehen, dass mir und meiner Nachbarschaft hilft eine quartiereigene Kultur, Philosophie, Ethik, Politik sowie Haltung zu entwicklen und pflegen? Kurz gefasst, die kann Demokratie in der kleinsten gemeinschaftlichen Einheit gelebt und gestaltet werden?

Dabei ist es wichtig sowohl Smart Devices als auch Menschen ohne Netzzugang zu berücksichtigen. Ein cleveres Werkzeug, dass für beide Extreme einen Ansatz bereit hält. Wie diese Aussehen können werden im praktischen Teil der Arbeit erarbeitet. Der weitaus wichtigere Punkt ist die Motivation solch ein Tool zu benutzen. Schon allein das Thema »Politik« erzeugt zumindest in Leipzig, Verdruss, Klage und ein Gefühl des Verlorenseins. Die gelebte Demokratie gibt es in den Köpfen aber weniger beim Nachbarn. Wenn diese aus deren Regionen Deutschlands oder gar ausserhalb der EU kommen, ist jedes Verständnis und jede Demokratie einschliesslich Ihrer Grundrechte vergessen.
»Wie viel Politikverachtung verträgt ein Staat?«[5], fragt Siegfried Schiele, der sein Leben der politischen Bildung verschieben hat. 1992 war »Politikverdrossenheit« das Wort des Jahres. »Nimmt die Verdrossenheit dauerhaft überhand, dann ist dieser Zustand eine Gefährdung für die Demokratie, die nicht vom Verdruss leben kann, sondern von der Mitverantwortung« (Schiele, S. 22). Als Gründe nennt er die idealisierte Demokratie und die übertriebene Individualisierung durch den Kapitalismus. Er rät zu einer lebendigen Zivilgesellschaft, die sich aktiv für die eigenen und gemeinschaftlichen Interessen einsetzt. Neben politischer Bildung ist für Schiele unentgeltliches Engagement und Partizipation von zentralem Wert. Viele Tätigkeiten können gar nicht ausschliesslich von staatlicher Seite finanziert werden. Dafür bedarf es Verantwortlichkeiten und Ressourcen von den Menschen, die gern in dieser Demokratie leben.

Aber was ist eigentlich Demokratie? »Es wäre eine gute Sache, wenn alle Menschen in einem demokratischen Land sagen könnten, was Ihnen persönlich Demokratie bedeutet.« (Schiele, S. 11)
»Für mich ist Demokratie Freiheit. Ein Raum, ein Ort, eine Gesellschaft, in der ich mich für meinen Weg entscheiden und leben kann und es keine Zwänge sondern Pflichten gibt.« (Kockel, 19.8.2015) Nach Schiele ist Demokratie kein Kinderspiel und nur die Transparenz der Schwächen macht sie zu einer. Folglich
müssen wir etwas Verständnis für die Demokratie aufbringen, weil sie in erster Linie gerecht sein möchte und das bedarf einiger Ressourcen:
§1 ZEIT. Demokratie ist langsam, weil gemeinschaftlich nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden.
§2 GELD. Demokratie ist teuer, weil die öffentlichen Ämter sehr viel Geld kosten, aber Unsummen weniger als Diktaturen.
§3 VERSTÄNDNIS. Demokratie ist kompliziert, weil Abstimmungsprozesse und strukturelle Abläufe geregelt sind.
§4 NEUTRALITÄT. Demokratie ist formal, weil nüchtern und nach einem öffentlichen Regelwerk Entscheidungen gefällt werden.
§5 TRANSPARENT. Demokratie zeigt Fehler, weil diese eingestanden, nicht hingenommen, sondern aufgearbeitet werden.
§6 REALITÄT. Demokratie wird oft idealisiert, weil ich denken, dass wir nichts dazu beitragen.
»Alle vermeintlichen Schwachstellen lassen sich überhaupt nicht vermeiden, sondern sind der Preis für ein System, das den Menschen nicht überhöht, sondern mit seinen Stärken und Schwächen wahrnimmt und ihm noch genügend Luft gibt, das Leben in Freiheit und Würde zu gestalten.« (Schiele, S. 19) Diese Verständnis sollte eigentlich jeder, der weiss, was Demokratie für ihn bedeutet, aufbringen und als kleinste Geste, Revanche, Präsent, oder vielleicht als Dankeschön, aller vier Jahre wählen gehen. »Die Gruppe der Nichtwähler ist […] zur stärksten Partei in unserem Land geworden.« (Schiele, S. 23) Somit ist ein Großteil der Bevölkerung nicht mehr vertreten. Wie das genau passieren konnte, soll nicht Aufgabe dieser Arbeit sein. Ich möchte an dieser Stelle eine Frage stellen:

Was kommt nach der Demokratie? Der Soziologe Colin Crouch ist bekannt durch seine Veröffentlichung »Postdemokratie«. Hier geht er von einer gestellten Demokratie aus, an der nicht mehr teilgenommen wird, sondern die nur noch formal Wahlen abhält. »ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden […], in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben«[1]. Der Bürger bleibt bei diesem System aussen vor und wird zu Rezipienten und reinen Konsumenten. In dem Artikel »Kunde statt Bürger«[2] beschreibt Crouch diese Kunden—Staat-Beziehung, auch »New Public Management« genannt, das in einigen Gemeinden in England bereits Realität geworden ist. Dabei sieht er die Gefahr, dass »das »Kunden«-Konzept unvermeidlich eine Ungleichheit impliziert, die sich mit dem Konzept eines mit Rechten ausgestatteten Staatsbürgers nicht verträgt […] — es gibt im privaten Sektor keine Entsprechung zum staatlichen Konzept der Gleichheit vor dem Gesetz.«[Crouch, S. 3] Durch das Ökonomisieren des öffentlichen Dienstes verschieben sich die demokratische Grundrechte sowie die gesetzliche Gleichstellung zu Bevorteilungssystemen. Crouch sieht Steuerzahler nicht als Kunden sondern »als Bürger und damit als Inhaber bürgerlicher Rechte und Pflichten«. Er bringt ein Beispiel dieser Verschiebung, in der staatliche Leistungen sind nur noch in der Grundversorgung kostenlos sind. Wer mehr will, muss zahlen. Damit etabliert sich wieder eine 2-Klassen-Gesellschaft, die nichts mehr mit Demokratie und dem Grundgesetz gemein hat. In dieser wären nicht alle Menschen gleich, sondern es würden Rechte auf bestimmte Leistungen erst mit einem Kaufvertrag analog zu den AGBs vergeben werden.

Aber strebt unsere Gesellschaft wirklich in diese Richtung? Wie ich eingangs festgestellt habe, ist ein anschwellender Protest, ein Widerstand, eine Gegenbewegung spürbar. Diese äussert sich nicht in aktiver Wählbeteiligung sondern ein vielen kleinen wie großen Aktionen. Ein Teil der Menschheit hat begriffen, dass unser Planet eine Ressource ist, die gepflegt werden muss, Der Klimawandel steht vor der Tür, aber kein will aufmachen. Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, dass die Demokratie in wichtiges gut bleibt. Damit alle gleichen Zugriff auf unsere Ressourcen haben. Luft, Wasser, Nahrungsmittel, Bildung, Gesundheitsvorsorge, um nur einige zu nennen. In diesem Zusammenhang spielen das Internet, öffentliche WLAN-Netze, Open Source, Open Data, digitale soziale Netzwerke eine große Rolle.
Der freie Zugang von Daten hat in Krisensituationen geholfen Menschenleben zu retten, bei Demonstrationen in autoritären Systemen zu einer Berichterstattung im Ausland geführt, und gerade heute im Sommer 2015, zur Flucht aus menschenfeindlichen Gebieten. Dabei spielt nicht nur die freie Zugänglichkeit der Daten eine wichtige Rolle, sondern auch die der Technik.

Was ist Technologische Souveränität?
Die Soziologin, Sozialwissenschaftlerin für Informations- und Kommunikationstechnologien des Gemeinwohls Alex S. hat dazu die Software-Entwicklerin und Hackerin Margarita Padilla interviewt. Sie geht davon aus, dass aus Mangel an frei verfügbaren Technologien wir uns ein einer gewissen Abhängigkeit von Großkonzernen, die unsere Daten verwalten, befinden. Deswegen müssen wir offene und freie Technologien nutzen, damit wir uns diese Souveränität wieder aneignen. Nach Margarita Padilla besteht bei alternativen Projekten immer das Problem, des Aufwands, der damit einhergehenden Verzögerung und der fehlenden Mittel, um die Masse zu bedienen. »Wir haben die Souveränität vollständig verloren. Wir verwenden die Werkzeuge des Web 2.0 als wären sie übernatürlich, als würde es sie ewig geben. So ist es jedoch nicht, da sie sich in den Händen von Unternehmen befinden und diese zum Besseren oder Schlechteren, nicht auf ewig bestehen.« Als Grund nennt sie, »weil wir ihnen keinen Wert beimessen« (S.72, Padilla) und schlägt vor, diese Thematik analog der Ernährungssouveränität zu behandeln. Daraus ergeben sich Fragen der Werte, Herkunft, Nutzung, Zugänglichkeit, Unternehmensphilosophien und Fragen nach der Entwicklung, Gestaltung und Produktion neuer zivilgesellschaftlicher souveräner Technologien. »Wir definieren Zivilgesellschaft als Gesamtheit von Bürgerinnen und Kollektiven, deren individuelle und kollektive Aktionen nicht in erster Instanz durch Gewinnstreben motiviert sind, sondern durch den Versuch, Wünsche zu erfüllen und Bedürfnisse zu befriedigen und damit zugleich soziale und politische Transformation zu fördern.« In diesem Sinne sowie im Anliegen von Welzer ist es Zeit sich diesem Wandel anzunehmen und Werkzeuge zur demokratischen Transformation zu gestalten.

Ein Blick zurück in unsere auch jüngste Geschichte zeigt, dass »die Zivilgesellschaft stets taktische Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologien, der Medien und des freien Ausdrucks im Allgemeinen entwickelt hat.« (S.74) Diese Nutzung und Aneignung, teilweise mit Gewalt, war stets aktiv und wird auch in Zukunft, wahrscheinlich mehr denn je, aktiv oder besser interaktiv sein. Dieser Prozess lässt sich nicht mehr umkehren. (Zitat Pfeffer?, ich glaube, da gab es eins.) Gerade das Argument, dass »sich unsere elektronische und soziale Identität« (S.74) immer mehr aus dem »digitalen Universum« bildet, zeigt wie notwendig ein Bewusstsein, eine Übernahme oder Boykott und letztendlich eine unabhängige Alternative ist. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Gedanke von der Autorin ist, dass nicht Transparent ist, was momentan aus diesen Massen an Daten gedeutet werden kann, und die mit Diebstahl oder bei Insolvenz damit umzugehen ist. Die Daten gehören eigentlich nicht den Unternehmen, sondern den Nutzern, und werde nur von diesen Unternehmen verwaltert. Analog hierzu seinen Bürgerämter, Polizeiarchive, Finanzämter genannt, die in meinen Augen die gleichen Funktionen haben. Allerdings sind diese Institutionen staatlichen wie bürgerlichen Regeln, wie dem Grundgesetz, unterworfen und nicht wirtschaftlichen oder ökonomischen. Unsere Daten sollten frei, eigenverwaltet, selbstverliehen, geschützt sein und nicht ausspioniert, handelbar, verkäuflich. Um der ungewünschten kommerziellen Dynamik entgegenzuwirken, »benötigen wir eine Vielzahl an Initiativen, Unternehmen Kooperativen und informellen Kollektiven, die uns mit den freien Technologien versorgen, die uns fehlen.« Die Autorin plädiert dafür, wenn wir mehr Privatsphäre und Anonymität in der digitalen Realität wünschen, müssen wir selbst diese Werkzeuge erschaffen oder bestehende nutzen.

Allerdings stellt sich hier die Frage: Warum bereits bestehende Methoden nicht von der Mehrheit genutzt werden und ob es Möglichkeiten gibt, diesen Wandel durch gezielte Gestaltung zu befördern. Ich sehe hier vor allem Potential in kleinen Netzwerken wie lokale Nachbarschaften, Bürgerbündnisse oder ortsgebundene Daten. Die Konzepte von Open Source, Crowd, Community bestehen mit einer guten Basis, aber leider fehlt es an »Massentauglichkeit« im Sinne von Einfachheit, Verständlichkeit, Popularität und Coolness. Neben Ethik und Zugänglichkeit müssen auch die Fragen nach den ökologischen sowie sozialen Kosten der Produktionszentren gestellt werden und damit an Effizienz, Lebenszyklus, Dienstleistungsangeboten, Aufgabenverteilung. Aus Sicht der Autorin »ist es wichtig zu verstehen, dass keine neutralen Technologien existieren. Sie alle sind Absichtserklärungen und zei(ti)gen mannigfaltige Folgen.« (S.76) Deswegen rät sie, wie auch im Konsum- und Ernährungsverhalten souveräne Entscheidungen zu treffen und fehlende Werkzeuge einzufordern: »Jede Einzelne von uns ist Expertin ihrer eigenen Beziehung zu den Technologien. Deshalb können wir uns alle daran probieren, diese Beziehung zu analysieren, um sie neu zu erfinden.« (S.76)

Von dieser Souveränität sprich auch Merces Bunz. »Im Unterschied zu ihren Vorgängern zeichnen sich die Mitglieder der digitalen Öffentlichkeit […] durch ihre aktive Partizipation aus.« (S.140) Allerdings gibt Bunz zu bedenken, »dass sich viele der entsprechenden Plattformen in Privatbesitz befinden und die neue Öffentlichkeit virtuell ist.« (S.139) Dabei spielt der Ort des Geschehens eine immer größere Rolle. Informationen können nicht nur invasiv, sondern unmittelbar ortsbezogen und für eine gewählte Gruppe zugänglich gemacht werden. Das ermöglicht uns: Informationen unterwegs einzusammeln, vor Ort auf eine Situation aufmerksam zu machen oder gestossen zu werden. Mit diesem Wissen, können Beteiligungsprozesse völlig anders gedacht werden. Alternativen für die technologische Souveränität liegen ebenfalls vor, werden aber bisher nur von kleinen spezialisierten Communities wie Hackern oder Open-Data-Aktivisten verwendet.
Für Bunz besteht »Das Ziel der demokratischen Politik […] nicht darin, Gewinne einzufahren, sondern darin, das Zusammenleben der Menschen zu ihrem Besten zu gestalten.« (S.137) In diesem Sinne sollte die Politik dem digitalen Bürger mehr Rechte einräumen. Vielleicht ist sogar eine Anpassung des Grundgesetzes notwendig, um die Rahmenbedingungen für unsere komplexen Realitäten und Identitäten zeitgemäß zu regeln. Vielleicht sollte jeder Bürger recht auf smarte Kommunikation haben? Vielleicht sollte der Staat eine Cloud für seine Bürger bereitstellen, die durch Zusammenschlüsse eigenständige Netzwerke bilden? Würden des Datenschutzbeauftragte kritischer finden, wenn die EU, BRD oder einzelne Kommunen ein Social-Media-Netzwerk zur freien Verfügung stellen statt Facebook zu nutzen? Und wenn es vorstellbar wäre, wer macht die Arbeit und wer zahlt dafür? Viele Beteiligungs- und Open-Crowd-Projekte funktionieren nach den Prinzipien der Gemeinnützigkeit und sollten »eigentlich staatlich umgarnt und gefördert werden. Es ist […] im Grunde ehrenamtliche Arbeit […]« (S.140) Vielleicht könnten entsprechende Gemeinwohl-Plattformen oder digitale Demokratieaktivitäten vom Verteidigungs-, Bildungs- und Familienministerium finanziert werden. Aber vielleicht ist an dieser Stelle eine Finanzierung und Regulierung von staatlicher Seite nicht notwendig, denn »Geld wäre bloss noch ein Mittel unter vielen.« (S.158) Bunz schaut positiv in die Zukunft und gibt uns eine Vision mit auf den Weg: »Dank der Digitalisierung können sich damit Protestbewegungen und Organisationen, Vereine und Zusammenschlüsse, […] ihre eigenen Freiräume organisieren. Vielleicht können sie sogar aus der bestehenden Gesellschaft heraus eine neue bilden«. (S.159)

Dafür spielen von allem überschaubare Gemeinden und Kommunen als Experimentierfeld eine entscheidende Rolle. »Lokale Kulturen sind für die Entwicklung und Etablierung neuer Handlungsnormen von entscheidender Bedeutung.« (Welzer, S.185) Sie zeichnen sich durch Identität, miteinander lernende Dialoge [Austausch] und gruppenspezifisches Handlungswissen [Repertoire] aus, setzen Handlungsbereitschaft, Mut, Selbstvertrauen, Phantasie frei und erzeugen Selbstwirksamkeit. (Welzer, S.186/187) Solche Kulturen, wie z.B. der Transition-Town-Bewegung, müssen keineswegs formelle Organisationsstrukturen zugrunde liegen. Was bedeutet das für mich? Was bedeutet das für mein Tool? Was sind formelle und informelle Organisationsstrukturen? »Es wird meist unterschätzt, wie wichtig eine gelebte Kultur für die Entscheidungen der Einzelnen ist […] Warum? Weil gelebte lokale oder professionelle Kulturen WIR-Bilder bei ihren Mitgliedern hervorbringen, die ein bestimmtes Verhalten kategorial ausschliessen, ein anderes dafür voraussetzen.« (Welzer, S.184) Dadurch werden wir widerstandsfähiger gegenüber Belastungen und Bedrohungen. Und je größer meine Widerstandsfähigkeit ist, des mehr kann ich Bewegen. Das Prinzip Resilienz beruht nach dem Historiker Greg Bankoff auf einer Kombination aus kurzfristigem Altruismus und langfristigem Eigeninteresse. (Welzer, S.190) Eine Verrechnung erfolgt nicht monetär, sondern aus Leistung und Gegenleistung. Diese von Welzer moralische Ökonomie genannt stellt eine »starke Ressource auf dem Weg in eine nachhaltige Moderne dar«. (Welzer, S.191) Grundlage sind lokale Kulturen und Techniken, die natürlich auch auf Open-Source-Ressourcen zurückgreifen können, aber diese im Kleinen organisieren und nutzen. »Communitybasierte Projekte sind ohne politische Programmatik gemeinwohldienlich und daher für viele Beiträger attraktiv.« (Welzer, S.193) Parteien verlieren dadurch einen essentiellen Zuständigkeitsbereich, der im 20. Jahrhundert noch außenpolitisch unvorstellbar war: Kommunikation. Dieses Dilemma / Diese Entwicklung wird sicher auch durch die sinkenden Wahlbeteiligungen und abnehmenden Parteimitgliederzahlen ersichtlich. Das scheinende politische Desinteresse wird durch den kommunikativen und politischen Strukturwandel, wie Open Source Netzwerke, Leaks, Social-Media-Kanäle, Adhokratie ersichtlich. (Welzer, S.193) Die »Formen des Engagements und der politischen Beteiligung [weisen] auf ein höheres Autonomie- und geringeres Festlegungsbedürfnis der Akteure hin.« (Welzer, S.194) Wie es Marco Mass zusammenfasst, müssen Festlegungen, Beharrlichkeit, Standfestigkeit in der Politik von Morgen kein Stärkebarometer Idee, siehe Wetterkarte Merkel / Putin sein, sondern Flexibilität, Autonomie und Korrekturbereitschaft. (sinngemäß zusammengefasst. Zitat ggf. raussuchen. Bezug zu Zeit oder Zeile im Transkript) »Netzkommunikation [hat] ein enormes Mobilisierungspotential und entfaltet dabei eigene Logiken der Vergemeinschaftung, die ungeheuer machtvoll sein können« (Welzer, S.194) In Zukunft werden die beiden Ebenen Online und Offline zu einer natürlichen Kulturtechnik verschmelzen, die das politische privat und gleichzeitig öffentlich macht. Welzer empfiehlt »um die vorhandene Engagementbereitschaft abrufen zu können, bedarf es ganz offensichtlicher neuer Beteiligungs-, Veranstaltungs- und Diskursformate.« (Welzer, S.196) »Das Potential für einen Wandel ist da,« wir müssen »ihn nur konkret und attraktiv machen.« (Welzer, S.198) Dabei gilt es, dort anzusetzen, wo bereits Handlungsbereitschaft praktiziert wird, von neunen Assoziation- und Aktionsformen lernen, veränderte Kommunikations- und Mobilisierungsformen berücksichtigen, um Widerständigkeit zu lernen.

Aber wie kann das gelingen?
[Social Participation and Design Activism, S.213]
»Maier-Aichen refers to a »Utopia of less … but better« that requires creatives not only to create compelling design products, graphics or interiors, but also »to find innovative ways of communication, materialising and dematerialising things« (2004:10). The emphasis here is on developing design as a transformative process or as a way of reconfiguring routine and outlooks.« (S.214) Ein Methode ist es die Gemeinschaft ins Zentrum des Entscheidungsprozess einzubeziehen (zu setzen), um die Wiederbelebung der Lokalität (Nachbarschaft) einzufordern.
Nach Julier muss sich der Designer darum kümmern, für die medienverweigernden Normalbürger einfallsreiche Beteiligungsformen zu entwickelt, um auf bestehende Situationen Antworten zu finden und ihnen die Entscheidungsmacht über ihrer Umwelt zurückzugeben. (S.215) Mit Vorher-Nachher-Vergleichen können die Auswirkungen gemessen und weniger emotional argumentiert werden, was nun wirklich verändert wurde und bewertet werden, welche Folgen sich eingestellt haben. Mit diesen kleinteiligen Aktionen können verschiedene Methoden auf kommunaler Ebene getestet werden. Bei Misserfolg zieht das Scheitern keine weltumfänglichen Veränderungen nach sich und kann getrost als fehlgeschlagener aber probiertet Versuch durchaus mit gewonnen Erkenntnissen sowie Rahmenbedingungen für die Community hinterlegt werden. Bei positivem Ausgang stellt die gleiche Art der Dokumentation anderen Regionen Maßnahmenempfehlungen zu Verfügung, die ebenfalls erfolgreich oder scheitern können. Neben diesem vernetzten Erfahrungswissen wird dieses aber auch vor Ort weitergereicht und in die lokale Wissensgemeinschaft verbal transportiert. In diesen Prozessen können Designer als Katalysatoren für einen leichtern Zugang zum Thema und möglichen Antworten dienen. »Notenheftes, such work is also driven by political desires that not only Ami for democratic engagement with the processes and outcomes of creative practices among citizens, but in these, also seek a transformative effect on their everyday outlooks. As such, this may be termed »activist design«.« (S.216) Es gibt aber auch noch andere Formen des Designaktivismus. Für Thorpe sind es Designartefakte, die das Handeln nach ökologischen Werten einfordern. Nach Fuad-Luke geht es darum im Designprozess soziale, ökologische oder politische Werte statt kommerzieller und wirtschaftlicher in den Vordergrund zu stellen. DiSalvo sieht die Möglichkeit durch »feindliches«, nicht kooperierendes Design, eigentlich eines Anti-Designs, dominierenden Haltungen in Frage zu stellen und somit einen Diskurs einzuleiten. In jedem Fall unterbricht es die Alltagsroutinen, durch Irritation, Umnutzung, Fehlverhalten oder Verbesserung. »This is a designerly intervention. By rapidly and dramatically turning it into a secure space for play […] are changed not just through representation but also by physical engagement.« (S.217)

Aus diesem Grund brauchen wir keine Standard-Lösungen sondern intelligente flexible Werkzeuge, die es uns erlauben auf unterschiedliche Situationen passend zu reagieren. Ein weiterer Anspruch wäre aus ökologischen und sozialen Gründen, für eine möglichst kleine Gemeinschaft eine offenes Kommunikation- und Organisationsplattform zu schaffen, die es erlaubt Wissen, Ressourcen und Aktionen standortbezogen einzusetzen und diese an die aktuellen Bedingen anzupassen. Damit das Werkzeug mit der Zeit und den Anforderungen mit wächst und nicht jedesmal neu erdacht werden muss.


1 | Colin Crouch: Postdemokratie, Bonn, 2008, ISBN 978-3-89331-922-0, S. 10.
2 | Crouch, Colin: Kunde statt Bürger. In: Le Monde diplomatique (August 2015), Nr. 08/21. Jahrgang, S. 3.

Dirk Kurbjuweit »Die Gesellschaft — Wutbürger, Frauen und der Homo digitales«

Kurbjuweit, D. (2014). Die Gesellschaft — Wutbürger, Frauen und der Homo digitales (S.225-274) In: Alternativlos: Merkel, die Deutschen und das Ende er Politik. München: Carl Hanser Verlag

Gelesen / Exzerpt: 1.2. – 4.2.2015 / 30.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Kurbjuweit analysiert den kontroversen Begriff »Alternativlos«, die Politik von Angela Merkel und was das der häufige Gebrauch des Wortes in den Bürgern suggeriert. In »Die Gesellschaft« geht er auf die Entwicklung der Partizipation und im speziellen auf die der Online-Medien ein. Dirk Kurbjuweit ist Journalist, Reporter beim Spiegel, war 1990-1999 Redakteur für die Zeit und erhielt 1998 sowie 2002 den Egon-Erwin-Kisch-Preis.

Ausarbeitung

Weiterführend

Relevanz

Weiterverarbeitung
Kapitel: 1 Gegenstand

Vernetzungen

Mercedes Bunz »Die stille Revolution«

Bunz, M. (2012). »Die stille Revolution: Wie Algorithmen Wissen, Arbeit, Öffentlichkeit und Politik verändern, ohne dabei viel Lärm zu machen«. Berlin: Suhrkamp Verlag

Gelesen / Exzerpt: 30.8. / 30.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Bunz schreibt über die Möglichkeiten der Digitalisierung. Mit einem Blick in die Vergangenheit kann sie für die nachhaltigen Veränderungen unserer Gesellschaft sensibilisieren und Gestaltungsräume für die Vision der Zukunft öffnen. Dieser Text bietet einen Einblick in das Thema aus Medientheoretischer Sicht und liefert Beispiele für die Veränderung unserer Gesellschaft durch das Netz. Mercedes Bunz promovierte über die Geschichte des Internet, war Chefredakteurin von Tagesspiegel Online, Technologiereporterin des Guardian, leitet das Hybrid Publishing Lab an der Leuphana Universität und wurde 2010 mit dem Fachjournalisten-Preis des Deutschen Fachjournalisten-Verbands ausgezeichnet.

Ausarbeitung

Nach Bunz ist das »Archiv der Gegenwart […] ein medialer Raum, in dem wir gegenwärtiges Geschehen abbilden.« (S.119) Der Speicher — früher die Bibliothek — ist das Internet und das Medium sind Smart-Devices (mobile Displays). Durch die permanente und allgegenwärtige Verfügbarkeit mussten wir uns über die letzten 10 Jahre eine digitale Souveränität aneignen. Da die Kommunikation aber nicht in eine Richtung geht, wie die Medien des 20. Jahrhunderts mit one-to-many sondern von viele mit many-to-many, haben wir eine nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten der Aktivität und Beteiligung. »Im Unterschied zu ihren Verkäufern zeichnen sich die Mitglieder des digitalen Öffentlichkeit […] durch ihre aktive Partizipation aus.« (S.140) Allerdings gibt Bunz zu bedenken, »dass sich viele der entsprechenden Plattformen in Privatbesitz befinden und die neue Öffentlichkeit virtuell ist.« (S.139) Dabei spielt der Ort des Geschehens eine immer größere Rolle. Informationen können nicht nur invasiv, sondern unmittelbar ortsbezogen und für eine gewählte Gruppe zugänglich gemacht werden. Das ermöglicht uns: Informationen unterwegs einzusammeln, vor Ort auf eine Situation aufmerksam zu machen oder gestossen zu werden. Mit diesem Wissen, können Beteiligungsprozesse völlig anders gedacht werden. Alternativen für die technologische Souveränität liegen ebenfalls vor, werden aber bisher nur von kleinen spezialisierten Communities wie Hackern oder Open-Data-Aktivisten verwendet.

Für Bunz besteht »Das Ziel der demokratischen Politik […] nicht darin, Gewinne einzufahren, sondern darin, das Zusammenleben der Menschen zu ihrem Besten zu gestalten.« (S.137) In diesem Sinne sollte die Politik dem digitalen Bürger mehr Rechte einräumen. Vielleicht ist sogar eine Anpassung des Grundgesetzes notwendig, um die Rahmenbedingungen für unsere komplexen Realitäten und Identitäten zeitgemäß zu regeln. Vielleicht sollte jeder Bürger recht auf smarte Kommunikation haben? Vielleicht sollte der Staat eine Cloud für seine Bürger bereitstellen, die durch Zusammenschlüsse eigenständige Netzwerke bilden? Würden des Datenschutzbeauftragte kritischer finden, wenn die EU, BRD oder einzelne Kommunen ein Social-Media-Netzwerk zur freien Verfügung stellen statt Facebook zu nutzen? Und wenn es vorstellbar wäre, wer macht die Arbeit und wer zahlt dafür? Viele Beteiligungs- und Open-Crowd-Projekte funktionieren nach den Prinzipien der Gemeinnützigkeit und sollten »eigentlich staatlich umgarnt und gefördert werden. Es ist […] im Grunde ehrenamtliche Arbeit […]« (S.140) Vielleicht könnten entsprechende Gemeinwohl-Plattformen oder digitale Demokratieaktivitäten vom Verteidigungs-, Bildungs- und Familienministerium finanziert werden. Aber vielleicht ist an dieser Stelle eine Finanzierung und Regulierung von staatlicher Seite nicht notwendig, denn »Geld wäre bloss noch ein Mittel unter vielen.« (S.158) Bunz schaut positiv in die Zukunft und gibt uns eine Vision mit auf den Weg: »Dank der Digitalisierung können sich damit Protestbewegungen und Organisationen, Vereine und Zusammenschlüsse, […] ihre eigenen Freiräume organisieren. Vielleicht können sie sogar aus der bestehenden Gesellschaft heraus eine neue bilden«. (S.159)

Weiterführend
Smart Mob, Howard Rheingold, 2002 — Flashmob mit politischer oder weltanschaulicher Botschaft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Smart_Mob
http://www.wp11233044.server-he.de/aktionen/ich-bin-mehr-als/smart-mob-gegen-diskriminierung

Sukey, Sam Carlisle / Sam Gaus — Live Tracking während einer Demonstration, um staatlichen Einkesselungen vorzubeugen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Sukey

Ushahidi, Erik Hersman — Activist mapping, in Echtzeit nutzergenerierte Information, die auf interaktiven Karten visualisiert werden, um adhoc Hilfsnetzwerke zubilden.
http://www.ushahidi.com/

Relevanz
Einblick in das Thema aus Medientheoretischer Sicht
Beispiele für die Veränderung unsere Gesellschaft durch das Netz

Weiterverarbeitung
Glossar
Kapitel: 1 Gegenstand

Vernetzungen
Spideralex

Spideralex »Technologische Souveränität«

Spideralex: Technologische Souveränität In: Utopie (2015), Nr. 1, S. 71.

Gelesen / Exzerpt: 29.8.2015 / 29.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Auslöser für den Text war ein Interview der Autorin mit Margarita Padilla. Spideralex beleuchtet den Begriff der technologischen Souveränität von der Bedeutung über aktuelle Initiativen bis hin zur Relevanz für unsere Gesellschaft. Alex ist Soziologin, Sozialwissenschaftlerin für Informations- und Kommunikationstechnologien des Gemeinwohls, Hacktivistin und engagiert sich für die sozialpolitische Transformation.

Ausarbeitung

Aus Mangel an frei verfügbaren Technologien und der Abhängigkeit von Großkonzernen, die unsere Daten verwalten müssen wir offene und freie Technologien nutzen. Nach Margarita Padilla besteht bei alternativen Projekten immer das Problem, des Aufwands, der damit einhergehenden Verzögerung und der fehlenden Mittel, um die Masse zu bedienen. »Wir haben die Souveränität vollständig verloren. Wir verwenden die Werkzeuge des Web 2.0 als wären sie übernatürlich, als würde es sie ewig geben. so ist es jedoch nicht, da sie sich in den Händen von Unternehmen befinden und diese zum Besseren oder Schlechteren, nicht auf ewig bestehen.« Als Grund nennt sie, »weil wir ihnen keinen Wert beimessen« (S.72, Padilla) und schlägt vor, diese Thematik analog der Ernährungssouveränität zu behandeln. Daraus ergeben sich Fragen der Werte, Herkunft, Nutzung, Zugänglichkeit, Unternehmensphilosophien und Fragen nach der Entwicklung, Gestaltung und Produktion neuer zivilgesellschaftlicher souveräner Technologien. »Wir definieren Zivilgesellschaft als Gesamtheit von Bürgerinnen und Kollektiven, deren individuelle und kollektive Aktionen nicht in erster Instanz durch Gewinnstreben motiviert sind, sondern durch den Versuch, Wünsche zu erfüllen und Bedürfnisse zu befriedigen und damit zugleich soziale und politische Transformation zu fördern.« In diesem Sinne sowie im Anliegen von Welzer ist es Zeit sich diesem Wandel anzunehmen und Werkzeuge zur demokratischen Transformation zu gestalten.

Ein Blick zurück in unsere auch jüngste Geschichte zeigt, dass »die Zivilgesellschaft stets taktische Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologien, der Medien und des freien Ausdrucks im Allgemeinen entwickelt hat.« (S.74) Diese Nutzung und Aneignung, teilweise mit Gewalt, war stets aktiv und wird auch in Zukunft, wahrscheinlich mehr denn je, aktiv oder besser interaktiv sein. Dieser Prozess lässt sich nicht mehr umkehren. Zitat Pfeffer?, ich glaube, da gab es eins. Gerade das Argument, dass »sich unsere elektronische und soziale Identität« (S.74) immer mehr aus dem »digitalen Universum« bildet, zeigt wie notwendig ein Bewusstsein, eine Übernahme oder Boykott und letztendlich eine unabhängige Alternative ist. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Gedanke von der Autorin ist, dass nicht Transparent ist was momentan aus diesen Massen an Daten gedeutet werden kann, und die mit Diebstahl oder bei Insolvenz damit umzugehen ist. Die Daten gehören eigentlich nicht den Unternehmen, sondern den Nutzern, und werde nur von diesen Unternehmen verwaltert. Analog hierzu seinen Bürgerämter, Polizeiarchive, Finanzämter genannt, die in meinen Augen die gleichen Funktionen haben. Allerdings sind diese Institutionen staatlichen wie bürgerlichen Regeln, wie dem Grundgesetz, unterworfen und nicht wirtschaftlichen oder ökonomischen. Unsere Daten sollten frei, eigenverwaltet, selbstverliehen, geschützt sein und nicht ausspioniert, handelbar, verkäuflich. Um der ungewünschten kommerziellen Dynamik entgegenzuwirken, »benötigen wir eine Vielzahl an Initiativen, Unternehmen Kooperativen und informellen Kollektiven, die uns mit den freien Technologien versorgen, die uns fehlen.« Die Autorin plädiert dafür, wenn wir mehr Privatsphäre und Anonymität in der digitalen Realität wünschen, müssen wir selbst diese Werkzeuge erschaffen oder bestehende nutzen.

Allerdings stellt sich hier die Frage: Warum bereits bestehende Methoden nicht von der Mehrheit genutzt werden und ob es Möglichkeiten gibt, diesen Wandel durch gezielte Gestaltung zu befördern. Ich sehe hier vor allem Potential in kleinen Netzwerken wie lokale Nachbarschaften, Bürgerbündnisse oder ortsgebundene Daten. Die Konzepte von Open Source, Crowd, Community bestehen mit einer guten Basis, aber leider fehlt es an »Massentauglichkeit« im Sinne von Einfachheit, Verständlichkeit, Popularität und Coolness. Neben Ethik und Zugänglichkeit müssen auch die Fragen nach den ökologischen sowie sozialen Kosten der Produktionszentren gestellt werden und damit an Effizienz, Lebenszyklus, Dienstleistungsangeboten, Aufgabenverteilung. Aus Sicht der Autorin »ist es wichtig zu verstehen, dass keine neutralen Technologien existieren. Sie alle sind Absichtserklärungen und zei(ti)gen mannigfaltige Folgen.« (S.76) Deswegen rät sie, wie auch im Konsum- und Ernährungsverhalten souveräne Entscheidungen zu treffen und fehlende Werkzeuge einzufordern: »Jede Einzelne von uns ist Expertin ihrer eigenen Beziehung zu den Technologien. Deshalb können wir uns alle daran probieren, diese Beziehung zu analysieren, um sie neu zu erfinden.« (S.76)

Weiterführend
Margarita Padilla — Software-Entwicklerin, Hackerin, Cyberguerrilla
http://medialab-prado.es/person/margarita_padilla_

MediaLab Prado — Zentrum für Digitalkultur am Prado Madrid
http://medialab-prado.es
http://medialab-prado.es/article/convocatoria-explorando-desigualdad
http://medialab-prado.es/article/aprendizajes

Hippolyta — Forschungsgruppe seit 2005, reflektiert über »Technologie-Domain« und ihre sozialen Auswirkungen
http://www.ippolita.net

Technologische Souveränität — Selbstbestimmung in der Entwicklung und Produktion von Technologien
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/digitale-souveraenitaet-blinde-wut-auf-amerika-reicht-nicht-13398118.html
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/wem-gehoert-das-netz-entamerikanisiert-endlich-das-internet-13370167.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kommentar-zum-NSA-Skandal-Die-technologische-Souveraenitaet-zurueckgewinnen-2216143.html

Digitale Souveränität — Selbstbestimmung im Umgang mit digitalen Medien
https://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Souver%C3%A4nit%C3%A4t
https://netzpolitik.org/2015/realitaetscheck-bitkom-position-zu-digitaler-souveraenitaet-an-open-source-denkt-leider-keiner/

Relevanz
Einblick in das Thema autonom-gemeinschaftsverwalteter Technologien, digitaler Daten und Kommunikationsmittel
Plädoyer für den Bedarf und die Entwicklung einer Souveränität

Weiterverarbeitung
Definition »Zivilgesellschaft«, Spideralex, Utopia Magazin
Kapitel: 1 Gegenstand und 2 Bestandsaufnahme

Vernetzungen
Welzer
Pfeffer

Harald Welzer »Selbst Denken. Eine Anleitung zum Widerstand«

Welzer, H. (2014). Selbst Denken. Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.

Gelesen / Exzerpt: 25.8.2015 / 25.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Harald Welzer reflektiert sein eignes Handeln und Denken und regt damit zum selbst denken an. Für Ihn ist denken der 1. Schritt des Handels, um den Transformationsprozess vom Heute in die Moderne zu gestalten. Der Wandel kann durch jeden einzelnen, und seien es noch so minimale Änderungen, eingeleitet werden. Welzer zeigt wie es geht und gibt uns mit diesem Buch einen wenig dogmatischen, dafür amüsanten Leitfaden in die Hand. Anmachen gewünscht, Selbst denken gefordert. Harald Welzer ist ein deutscher Soziologe, Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung »Futurzwei« und seit Juli 2012 Honorarprofessor für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg.

Ausarbeitung

»Utopien können gefährlich werden, wenn sie in die Hände von Leuten geraden, die aus ihnen mit aller Macht Wirklichkeit machen wollen. Aber Utopien sind ein großartiges Mittel, um Denken und Wünschen zu üben: sich einen wünschbaren Zustand in einer denkbaren Zukunft zu imaginieren, macht den Status Quo zu lediglich einer Variante von vielen möglichen Wirklichkeiten.« (S.136) Eine Variante dieser Visionsformulierung gibt Rob Hopkins als Motivationshilfe: »Sie schicken sich selbst eine fröhliche Postkarte aus der Zukunft« (S.143, Flintoff) Vom diesem Szenario ausgehend, kann der Weg dorthin rekonstruiert werden. Dieser Prozess heisst »backcasting« oder nach Edmund Husserl »Vorerinnerungen: das sind mentale Vorgriffe auf etwas erst in der Zukunft Existierendes«. (S.136) Für Welzer spielen sie ebenso wie Rückblicke ein wichtige Rolle und geben zusammen ein »Orientierungsmittel für die Ausrichtung von Entscheidungen und Handlungen in der Gegenwart«. (S.136) Alfred Schütz nennt diesen Vorentwurf der vergangenen Zukunft »antizipierte Retrospektionen«. Dieser schaut auf viele kleine Details, auf eine schönere, gerechtere und nachhaltiger vorerinnerte Zukunft als der einfache Blick auf Morgen. Gleichzeitig warnt Welzer vor den Gefahren, Utopien als Masterpläne direkt umsetzen zu wollen. Die Nachteile der zwanghaften »Beglückungsvorstellung« sind mit dem Utopien des Kommunismus und Nationalsozialismus offensichtlich. Utopien implizieren keinen Plan zur Umsetzung, sondern eröffnen Handlungsräume, die im Kleinen ausprobiert, abgebrochen, pausiert, verworfen oder weiterentwickelt werden können — »ein Patchwork aus unterschiedlichen Experimenten: welche Erfolge und Probleme die Implementierung von Cradle to Cradle in der diversifizierten Produktion mit sich bringt[., 1]« (S.139) Aber die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Zeitrhythmen des Wandels sollten nicht als Problem betrachtet werden. Welzer beschreibt die »Transformation, wie immer sie aussieht, [als] widersprüchlich, uneinheitlich, ungleichzeitig.« (S.140) Und der Blick in die Geschichte zeigt, dass formative Revolutionen tiefgreifender Wandel herbeigeführt haben als politische. Deswegen braucht die nachhaltige Moderne keinen Masterplan, sondern einen Weg der Utopie ist.

»Selbst unter repressiven staatlichen Bedingungen kann es eine Frage lokaler Kulturen sein, welches Verhalten Menschen an den Tag legen, wenn es um Fragen des Umgangs mit ausgegrenzten Personengruppen geht.« (S.182) »Eine gelebte Kultur der Zugehörigkeit« fördert nach Welzer gemeinschaftliche Aktion statt konspirative. (S.183) »Es wird meist unterschätzt, wie wichtig eine gelebte Kultur für die Entscheidungen der Einzelnen ist(, und überschätzt, welche Rolle Wissen und Ethik für individuelle Handlungen spielen).* […] Warum? Weil gelebte lokale oder professionelle Kulturen WIR-Bilder bei ihren Mitgliedern hervorbringen, die ein bestimmtes Verhalten kategorial ausschliessen, ein anderes dafür voraussetzen.« (S.184) Ein nachhaltiger Lebensstil und Umgang darf nicht nur gedacht, sondern muss Teil der »lebensweltlichen Praxis« sein. (S.184)

»Lokale Kulturen sind für die Entwicklung und Etablierung neuer Handlungsnormen von entscheidender Bedeutung.« (Welzer, S.185) Sie zeichnen sich durch Identität, miteinander lernende Dialoge [Austausch] und gruppenspezifisches Handlungswissen [Repertoire, 2] aus, setzen Handlungsbereitschaft, Mut, Selbstvertrauen, Phantasie frei und erzeugen Selbstwirksamkeit. (Welzer, S.186/187) Solche Kulturen, wie z.B. der Transition-Town-Bewegung, müssen keineswegs formelle Organisationsstrukturen zugrunde liegen. Was bedeutet das für mich? Was bedeutet das für mein Tool? Was sind formelle und informelle Organisationsstrukturen?

Resilienz bedeutet: Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und Bedrohungen.(S.188) Das Prinzip beruht nach dem Historiker Greg Bankoff auf einer Kombination aus kurzfristigem Altruismus und langfristigem Eigeninteresse. (S.190) Eine Verrechnung erfolgt nicht monetär, sondern aus Leistung und Gegenleistung. Diese von Welzer moralische Ökonomie genannt stellt eine »starke Ressource auf dem Weg in eine nachhaltige Moderne dar«. (S.191)

Grundlage sind lokale Kulturen und Techniken, die natürlich auch auf Open-Source-Ressourcen zurückgreifen können, aber diese im Kleinen organisieren und nutzen. »Communitybasierte Projekte sind ohne politische Programmatik gemeinwohldienlich und daher für viele Beiträger attraktiv.« (S.193) Parteien verlieren dadurch einen essentiellen Zuständigkeitsbereich, der im 20. Jahrhundert noch außenpolitisch unvorstellbar war: Kommunikation. Dieses Dilemma / Diese Entwicklung wird sicher auch durch die sinkenden Wahlbeteiligungen und abnehmenden Parteimitgliederzahlen ersichtlich. Das scheinende politische Desinteresse wird durch den kommunikativen und politischen Strukturwandel, wie Open Source Netzwerke, Leaks, Social-Media-Kanäle, Adhokratie ersichtlich. (S.193) Die »Formen des Engagements und der politischen Beteiligung [weisen] auf ein höheres Autonomie- und geringeres Festlegungsbedürfnis der Akteure hin.« (S.194) Wie es Marco Mass zusammenfasst, müssen Festlegungen, Beharrlichkeit, Standfestigkeit in der Politik von Morgen kein Stärkebarometer Idee, siehe Wetterkarte Merkel / Putin sein, sondern Flexibilität, Autonomie und Korrekturbereitschaft. (sinngemäß zusammengefasst. Zitat ggf. raussuchen. Bezug zu Zeit oder Zeile im Transkript)

»Netzkommunikation [hat] ein enormes Mobilisierungspotential und entfaltet dabei eigene Logiken der Vergemeinschaftung, die ungeheuer machtvoll sein können« (S.194) In Zukunft werden die beiden Ebenen Online und Offline zu einer natürlichen Kulturtechnik verschmelzen, die das politische sowie gesellschaftliche privat und gleichzeitig öffentlich macht. Welzer empfiehlt »um die vorhandene Engagementsbereitschaft abrufen zu können, bedarf es ganz offensichtlicher neuer Beteiligungs-, Veranstaltungs- und Diskursformate.« (S.196) »Das Potential für einen Wandel ist da,« wir müssen »ihn nur konkret und attraktiv machen.« (S.198) Dabei gilt es, dort anzusetzen, wo bereits Handlungsbereitschaft praktiziert wird, von neunen Assoziation- und Aktionsformen lernen, veränderte Kommunikations- und Mobilisierungsformen berücksichtigen, um Widerständigkeit zu lernen.

1 | …, wie genossenschaftliche Organisationsformen auf große Konzernstrukturen zu übertragen sind, wie reduzierte Mobilität mit besserer Gesundheits- und Bildungsversorgung gekoppelt werden kann, wie ein verändertes Energieregime Veranderte Beteiligungsformen fordert usw. (S.140)
2 | Repertoire: Ressourcen, Instrumente, Werkzeuge, Geschichten, Erfahrungen, Routinen, Kniffe, Techniken

Gliederung (weitere ggf. relevante Kapitel)

Achtsamkeit »Das unerwartete managen«
Ohne Masterplan
2033 (S.160) lesen!
Moralische Ökonomie »Der Mensch ist grundsätzlich prosozial.«
Wertorientierung Jugendlicher (S.196p)
»Gesellschaftliches Interesse ist für die Jugendlichen ausdrücklich nicht mit politischem Interesse identisch. Alles was mit Politik zu tun hat, ist deutlich negativ konnotiert.«

Alphabetisierung für eine nachhaltige Moderne: (S.199pp)

Zeit
Sparsamkeit
Verantwortung
Tod
Reparieren, Nutzungsinnovationen
Genossenschaften
Bündnisse
»Postdemokratie«, »Entpolitisierung der Öffentlichkeit«
Handlungsspielräume (S.222pp)

Umbequemlichkeit
Sich selbst ernst nehmen
Politik und Geschichte (S.239)
Die Gegengeschichte

Vorbilder

Staudinger denkt selbst

Eine Anleitung zum Widerstand (S.282)

12 Regeln für erfolgreichen Widerstand (S.293)

Weiterführend
antizipierte Retrospektionen, Alfred Schütz
Cradle to Cradle

politische Revolution
formative Revolution
konspirativ

Transition-Town-Bewegung

formelle Organisationsstruktur
informelle Organisationsstruktur

Communities of Practice
Resilienz-Gemeinscahften? und Commons
abgeordnetenwatch.de
netzpolitik.de

Relevanz
Begründung und Notwendigkeit der gesellschaftliche Relevanz
Ideengeber

Weiterverarbeitung
Gliederung und Einleitung
Kapitel: 1 Gegenstand und 2 Bestandsaufnahme

Vernetzungen
Rob Hopkins
Christian Felber
Silke Helfrich
David Bollier
Grundgesetz

Bernd Sommer / Harald Welzer »Trans­formations­design«

Welzer, H. / Sommer, B. (2014). Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. München: Oekom Verlag.

Gelesen / Exzerpt: 23.8.2015 / 23.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Bernd Sommer und Harald Welzer geben Gründe, Argumentationen und Bespiele, wie und warum unsere Welt, gerade jetzt, aktiv verändert werden muss. Vom Klimawandel, Krisen und Knappheit geprägt, können neben Pionier-Kooperationen auch wir, als einzelne Akteure etwas bewegen. Bernd Sommer ist Soziologe und Kulturwissenschaftler, seit 2012 Leiter des Bereichs »Klima, Kultur und Nachhaltigkeit« am Norbert Elias Center for Transformation Dessign & Research (NEC) der Europa-Universität Flensburg.

Ausarbeitung

Die Autoren gehen von dem Begriff Transformationsdesign als aktive Gestaltung des Wandels in eine nachhaltige Zukunft aus. Dabei wird jeder zum Gestalter seiner Umwelt. Neben einer umfangreichen und tiefgreifenden Erörterung der Relevant und den Möglichkeiten ist für mich besonders das Kapitel 7 »Heterotopie als Gesellschaftsdesign — Die soziale Organisation des Weniger« wichtig. »Jeder Schritt in eine vom business as usual abweichende Richtung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auch der nachfolgende zweite, dritte, vierte Schritt in diese Richtung erfolgen wird […] Menschen korrigieren einmal gefällte Entscheidungen […] ungern, weil das nicht nur den Orientierungsbedarf erhöht, sondern auch die Infragestellung und Revision einer ganzen Kette von Entscheidungen erfordert (Welzer 2005)« (S.177) Welzer sieht die Schnittstelle für den Pfadwechsel und der eingeschlagenen Richtung als wichtig an, weil sie selbst nur praktisch erschlossen werden kann und somit zur Transformation selbst wird. Durch neue Erfahrungen ändert sich die eigene Sichtweise und eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten. Welzer bezeichnet diesen ersten Schritt als Autopoetik. Diese Phänomen könnte ich mir zu Nutze machen und gezielt zur Aktivierung einsetzen. Weiter spricht der Autor über den Bedarf der Einübung des Abweichen und führt den Begriff der Politisierungsgymnastik ein. (S.178) An dieser Stelle schlägt mein Herz schneller. Hatte ich nicht letztes Jahr diesen liebevollen Gymnastique-Adventskalender gestaltet und als hochwertiges DIY-Produkt herausgebracht? Vielleicht wäre neben einem weiteren Kalender zur Politikgymnastik ein ganzes Studio zu gestalten? »Je mehr konkrete Pfadwechselschritte es gibt, desto wahrscheinlicher wird die Attraktivität, zunächst aber auch einfach nur die Sichtbarkeit einer gesellschaftlichen Transformation.« (S.179) Dabei lässt Welzer den Einwand gelten, das diese meist privaten Korrekturen »keineswegs ein[en] gesamtgesellschaftlich[en] oder gar global wirksamer[en] Pfadwechsel« einleiten. (S.179) Er argumentiert, dass sich das bessere nicht automatisch durchsetzt sonder nur, wenn sich die Durchsetzung erfolgreich gestaltet und die Prozesse tiefunwirksam eingeschrieben werden. Dabei ruft Welzer mit den Worten Nikolai Kondratieff zur Aktion auf: »Wir müssen nach Organisationen der Solidarität suchen, die eine eigene Produktionsstruktur besitzen. Es gibt sie. In ihnen können Menschen sich nicht nur verteidigen, sondern (ohne ein System direkt anzugreifen) autonome Alternativen dagegensetzen. Nicht Utopie, sondern Heterotopie.« (S.180)

Diesen Gedanken weitergedacht würde für meine Masterarbeit bedeuten, ein selbst- bzw. bürgerverwaltete unter dem Stichpunkt Open-Source-gestützte Plattform zu entwicklen, über eine Beispiel- und Projekte-Datenbank verfügt, geeignete Maßnahmen in Form eines Kataloges (plus Filter) vorschlägt und als aktives Bürgerbeteiligungswerkzeug eingesetzt werden kann. Als Kategorisierung, Bewertung oder Verortung einzelner Aktionen könnten die Werte der Gemeinwohlbilanz dienen: »Menschenwürde, Solidarität, Ökologische Nachhaltigkeit, Soziale Gerechtigkeit, Demokratische Mitbestimmung & Transparenz« (S.194) Wo fängt Veränderung an und warum ist es wichtig seine Handlungen zu relfektieren? »Seit der Frauenbewegung wissen wir, dass »das Private politisch ist«, selbst wenn es gar nicht politisch sein möchte, also in die Gesellschaft hinein- und in die Welt hinzuwirken will. […] Wir sind wieder bei der »Matrix des Wandels«: Dieser beginnt innerlich, gedanklich, beim Verbundensein, beim persönlichen Lebensstil, er wird artikuliert, zum Diskurs, Pilotprojekte und Prototypen entstehen, bilden Netzwerke, Strukturen, Rhizome, System. Ich nehme weltweit eine noch namenlose, aber stetig wachsende Community von Menschen wahr, die global denken und fühlen und ihren je persönlichen und oft lokalen Beitrag zum ökologischen, demokratischen und kulturellen Wandel leisten. Das ist Weltpolitik jenseits von Parteien; es ist globales Transformationsdesign von Individuen und Kollektiven, die teils formal, teil emotional und teils spirituell miteinander verbunden sind.« (S.196, Christian Felber: Autor, Universitätslehrer, Tänzer, Vordenker, Initiator der Gemeinwohlökonomie-Bewegung). Zum entscheiden in welcher Art die Plattform veröffentlich wird gibt vielleicht Silke Helfrich et. al (2009:9) die entscheidende Grundlage. Sie grenzt klar Gemeingüter von öffentlichen ab: »Während öffentliche Güter […] vom Staat bereitgestellt werden, entstehen soziale Gemeingüter […] zumeist in einem gemeinschaftlichen und vor allem selbst-organisierten Prozess.« (S. 205/206). Nach David Bollier (2014:4f.) entsteht Commens, »wehender a given community decides that it wishes to manage a resource collectively, with an accent on fair access, use, and longterm sustainability« und stellen laut Welzer Alternativen zu wirtschaftlichen oder staatlichen Mechanismen dar (S.206).

Als Argument für den Pfadwechsel greift Welzer auf die soziologische Theorie von Norbert Elias (1996a:77) zurück, der »Macht« nicht als politische Herrschaftsausübung sondern als Bestimmung der jeweiligen Wirkmächtigkeit der Beteiligten an sozialen Beziehungen definiert. (S.213) »Mithilfe des Machtverhältnisses von Elias lassen sich also die Chancen der Mitglieder sozialer Figurationen bestimmen, ihre Interessen gegenüber den anderen Mitgliedern durchsetzen. […] Macht kommt also nicht der Person an sich zu, sondern ist jeweils abhängig von der Art und Gestalt des sozialen Beziehungsgefüges, zu dem sie gehört.« (S.214) Welzer fasst zusammen, dass ökologische Fragen automatisch soziale und somit Gerechtigkeitsfragen sind: »Im Unterschied zum »demokratischen Kapitalismus« (Streeck 2013) der westlichen Nachkriegsmoderne führt wirtschaftliche Expansion heute nicht zu mehr Gleichheit, sonder zu mehr Ungleichheit.« (S.216) »Wie jede soziale Bewegung muss sich als auch eine soziale Transformationsbewegung auf eine Veränderung der bestehenden Machtbalancen richten.« (S.221) Schlussfolgernd müssen besetzte Postionen befreit, verteilt und neu-besetzt werden. Machtdifferenziale können nach Welzer nur durch Pfadwechsel verändert werden, die unausweichlich mit sozialen Auf- und Abstiegsprozessen einhergehen. Der Kern ist nicht die Abschaffung des Kapitalismus, sondern »das Verhältnis von Kapital und Arbeit neu [zu] konfigurieren.« (S.222) Und dieser Wandel bedarf nicht nur Argumente sondern Aktionen: Durchstehen von Kämpfen und Konflikten. Aus diesem Grund müssen wir selbst aktiv werden, uns organisieren und gemeinsam unsere Zukunftsvision in Angriff nehmen. Einen radikalen Ansatz könnten hier der Artikel 14 (3) und 15 zur Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit liefern.

Mit meiner Masterarbeit möchte ich unsere demokratischen Werte schützen und die Bürgerbeteiligung transformieren. Mittel, Wege, Werkzeuge zur aktiven Gestaltung von Demokratie gestalten und für alle Zugänglich machen. Dabei steht vor allem das lokale, nachbarschaftliche, menschliche, soziale Handeln im Mittelpunkt. Ob es nun zur Veränderung des eigenen Wohnhauses, Straßenzuges oder Viertels beträgt sein offen gehalten. Veränderungen fangen im Kopf mit der Idee an, und wenn ich davon vielerorts berichte, finden sich Verbündete, Mitstreiter und Erfahrende, die zusammen eine Aktion gestalten. Diese kann wiederum Zündstoff für weitere Beteiligung sein und als Kettenreaktion um die ganze Welt gehen. Wir wollen keine Nischen besetzen, sondern die prominenten Plätze in der Mitte der Gesellschaft uns aneignen.

Dabei müssen folgende Fragen beantwortet werden:
1. Warum ist der demokratische Prozess zu transformiert?
2. Was wir aus der Geschichte lernen können? Positiv / Negativ.
3. Wie sieht es heute aus? Was sind Missstände?
4. Wie können Transformationen aussehen? Beispiele.
5. Ein Blick in die Zukunft: Ansatz zur Transformation. Artefakt.

Weiterführend
Heterotopie, Michel Foucault — Ort, Zone als tatsächlich realisierte Utopie, in der alle anderen Räume innerhalb einer Kultur zugleich repräsentiert, bestritten oder umgekehrt werden
https://de.wikipedia.org/wiki/Heterotopie_(Geisteswissenschaft)
http://www.utopia.de/blog/gruene-loge/michel-foucault-ueber-utopie-und

Autopoetik, Niklas Luhmann — »Ein soziales System kommt zustande, wann immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht und sich durch Einschränkung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt abgrenzt. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, auch nicht aus Handlungen, sondern aus Kommunikationen.«
https://de.wikipedia.org/wiki/Autopoiesis

Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung, Christian Felber — Unternehmen werden nicht länger an den Mitteln des Wirtschaftens gemessen (Geld, Kapital und Finanzgewinn), sondern an den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Lebensqualität, Gemeinwohl). Auf der Makroebene (Volkswirtschaft) wird das Bruttoinlandsprodukt als Erfolgsindikator vom „Gemeinwohl-Produkt“ abgelöst, auf der Mikroebene (Unternehmen) die Finanzbilanz durch die Gemeinwohlbilanz. Je sozialer, ökologischer, demokratischer und solidarischer Unternehmen agieren und sich organisieren, desto bessere Bilanzergebnisse erreichen sie. Je besser diese in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist das Gemeinwohl-Produkt.
http://www.heute.de/gegen-kapitalismus-fuer-marktwirtschaft-gemeinwohl-oekonomie-als-alternative-37875214.html
https://www.ecogood.org

Machtdifferentiale, Theodore D. Kemper — Die Macht-Status-Theorie ist ein Ansatz der Emotionssoziologie und geht von einem dualen Beziehungsmodell aus, bei dem sich die Akteure auf die jeweiligen Macht – Status – Dimensionen innerhalb dieses Modells beziehen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Macht-Status-Theorie

Relevanz
Begründung und Notwendigkeit der gesellschaftliche Relevanz
Ideengeber

Weiterverarbeitung
Einleitung
Kapitel: 1 Gegenstand und 2 Bestandsaufnahme

Vernetzungen
Rob Hopkins
Christian Felber
Silke Helfrich
David Bollier
Grundgesetz

Presseschau 21. August 2015

»Kunde statt Bürger«

Crouch, Colin: Kunde statt Bürger. In: Le Monde diplomatique (August 2015), Nr. 08/21. Jahrgang, S. 3.

Crouch schreibt über die Gefahren des »New Public Management« und wie aus Bürgern Kunden werden. Mit der Ökonomisieren des öffentlichen Dienstes verschieben sich demokratische Grundrechte sowie gesetzliche Gleichstellung zu Bevorteilungssystemen. Er sieht Steuerzahler nicht als Kunden sondern »als Bürger und damit als Inhaber bürgerlicher Rechte und Pflichten«. Des Weiteren geht Crouch davon aus, dass »das »Kunden«-Konzept unvermeidlich eine Ungleichheit impliziert, die sich mit dem Konzept eines mit Rechten ausgestatteten Staatsbürgers nicht verträgt […] — es gibt im privaten Sektor keine Entsprechung zum staatlichen Konzept der Gleichheit vor dem Gesetz.« Als Beispiel führt Crouch die britische Steuerbehörde an, die Großkonzernen beratend zur Seite steht im Gegensatz zu natürlichen Personen.

Weitere Beispiel folgen, über einen Vorfall, der 2015 aufgedeckt wurde, bei dem die Steuerbehörde seit fünf Jahren gewusst hat, dass eine Großbank 6000 Kunden geholfen hat, Schwarzgeldkonten in der Schweiz anzulegen, um Steuern zu sparen. Ganz nach dem Motto — der Kunde ist König. Abschliessend beschreibt Crouch aktuelle Situation in Barnet. Hier wurden »alle öffentlichen Aufgabe am Privatfirmen outgesourct, […] infolgedessen verfügt die Kommunalverwaltung […] nicht mehr über die nötige Sachkompetenz, um die Qualität der fremdvergebenen Dienstleistungen zu beurteilen.« Staatliche Leistungen sind nur noch in der Grundversorgung kostenlos. Wer mehr will, muss zahlen. Damit etabliert sich wieder eine 2-Klassen-Gesellschaft, die nichts mehr mit Demokratie und dem Grundgesetz gemein hat.

Der Soziologe Colin Crouch ist bekannt durch seine Veröffentlichung »Postdemokratie«. Der Text stammt aus dem Buch »Die bezifferte Welt. Wie die Logik des Finanzmärkte das Wissen bedroht.«, das am 7. September 2015 erscheint.

Idee: AGB für einen Staat erstellen. Jeder darf Kunde des Staates werden, wenn er die AGB annimmt. Keine Auswahlverfahren, keine Geburtsübertragung, kein Einheiraten.

Fragen
Warum werden öffentliche Aufgaben an Firmen vergeben, wenn wir doch genau dafür Steuern zahlen?
Welche Aufgaben sollten unbedingt in öffentlicher Hand bleiben?
Was ist »Postdemokratie«?
https://de.wikipedia.org/wiki/Postdemokratie
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/colin-crouch-bundestagswahl-sozialdemokratie

»Schäubles Gehäuse«

Denord, Francois; Knaebel, Rachel; Rimbert, Pierre: Schäubles Gehäuse: Geschichte und Wirkmacht der ordoliberalen Denkschule. In: Le Monde diplomatique (August 2015), Nr. 08/21. Jahrgang, S. 18 p.

Die Autoren geben Einblick in der deutsche Wirtschaftssystem seit dem 2. Weltkrieg und wie diese Einfluss auf die Europäische Union genommen hat. Als Resultat wird damit das aktuelle Vorgehen gegenüber Griechenland argumentiert, und dass nicht die »Volkssouveränität« für Entscheidungen innerhalb der EU zählt sondern die Haushaltpolitik.

Der Artikel unterstreicht die Entwicklung zur Postdemokratie, in denen Bürgerentscheidungen, wie die griechische positiv ausgefallende Volksabstimmung zum Verbleib in der EU, vor Wirtschaftsmacht stehen. Nicht die Menschen, Staats- und EU-Bürger stehen im Mittelpunkt, sondern der finanzielle Beitrag eines Landes und die Kaufkraft.

Fragen
Was ist die »ordoliberale Denkschule«?
https://de.wikipedia.org/wiki/Ordoliberalismus
Was ist »Neoliberalismus«?
https://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus

Florian Pfeffer »To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt«

Pfeffer, F. (2014). To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt: Strategien, Werkzeuge, Geschäftsmodelle. Mainz: Verlag Hermann Schmidt Mainz.

Gelesen / Exzerpt: 7.8. – 12.8.2015 / 7.8. + 12.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Pfeffer eröffnet ein Design-Diskurs und nimmt die aktuellen Strömungen von Design unter die Lupe. Dabei befragt er die Entstehungsgeschichte, zeitliche Veränderungen, sowie Herausforderungen in unserer global-vernetzten, social-verteilten und ökologisch-prekären Welt. Was kann Design leisten und was nicht? Was sind Pioniere? Welche Werkzeuge, Strategien und Geschäftsmodelle gibt es, mit welcher Motivation und Intention? Wie können wir die Welt neu erfinden und unseren Kinder damit zumindest eine kreative Denk- sowie Handlungsweise mit auf den Weg geben. Pfeffer führt kurz ins Thema ein und widmet sich 100 Projekten, die als Auswahl zeigen, wo die Reise hingeht und was uns zu inspirieren vermag. Florian Pfeffer ist Gründer des von 1998 bis 2013 internationalen Wettbewerbs :output für Design-Studienarbeiten und Herausgeber der gleichnamigen Jahrbücher.

Ausarbeitung

»Neue Landschaften formen neue Sprachen.« (Pfeffer, S.14)
Als Einleitung beschreibt Pfeffer, wie er das erste Mal eine Weltkarte mit Indonesien im Zentrum gesehen hat. Er hatte die Karte anfangs für einen Rohschach-Test gehalten. Erst der Wetterbericht hat ihm die Augen geöffnet. Eine ähnliche Geschichte habe ich von Judith Schalansky im »Atlas der abgelegenen Inseln« gelesen. Mir ging es nicht viel anders. Dadurch verändert sich der Blickwinkel und es entsteht ein neues Bild auf das gleiche Objekt. Die Erkenntnis: »Die Wahrheit ist, dass es keine Wahrheit mehr gibt.« (S.20) Besser gesagt, nie gegeben hat. Heinz von Förster hat dieses Phänomen ebenfalls treffend formuliert »Wir sehen nicht, dass wir nicht sehen.« Wir sehen ein Objekt, Thema, Sachverhalt meistens nur von einer nämlich unserer Seite. Die anderen bleiben im Dunkeln. Erst durch ein Herumlaufen und Beleuchten wird die Komplexität sichtbar. Verschiedene Kunstformen, wie Malerei, Literatur, Musik, Tanz aber auch Philosophie entwerfen diese Wandlungen. »Das Design der Zukunft ist mit der Frage konfrontiert, wie wir Komplexität aushalten und gestalten können.« (S.20)

Pfeffer schlussfolgert mit dem Blick auf die Designgeschichte, dass wir uns in der dritten Revolution befinden. Die 1. ging mit der Erfindung der Dampfmaschine und damit dem Wandel der Produktionsverfahren einher, die 2. mit der Elektrizität und Verbreitung der Massenmedien. Die 3. hat Ihren Ursprung in der Globalisierung und macht das Ausmass an der Vernetzung von Datenströmen, ökologischen Problemen und der Überdehnung des sozialen Systems sichtbar. Eine berechtigte Frage ist: »Ist die Art und Weise, wie wir bisher gelebt, gearbeitet, produziert und konsumiert haben, intelligent genug? Welche Alternativen können wir erzeugen?« (S.22) »Diese Revolution braucht weniger Symbole und mehr Substanz, weniger Produkte und mehr Werkzeuge, weniger Hardware und mehr Software.« (S.22) Pfeffer zeigt drei Alternativen vor: von weiter machen wie bisher, über Rückzug bis hin zu Diskurs. Er plädiert für »die Auseinandersetzung von Design mit den komplexen und widerspenstigen Fragestellungen es modernen Lebens.« (S.23) »Kann Design mehr sein als eine blinde Innovationsmaschine, die uns hilft, darüber zu sprechen, was wir wollen« (S.23) Dabei nimmt Design die Rolle des Vermittlers ein: Erklärt, zeigt Handlungsräume auf und vertritt politische, sozialen sowie ethische Standpunkte/Haltungen. Der Designer als Politiker, Soziologe, Ethnograf, Arzt, Geistlicher, Komiker erfindet die Welt neu und trägt damit zum gesellschaftlichen Wandel bei.

In »Die Welt als Entwurf« beschreibt Otl Aicher »Design bezieht sich auf den kulturellen Zustand einer Epoche. Die heutige Welt ist definiert durch ihren Entwurfszustand.« — Dadurch wird jeder Entwerfer zum Weltgestalter. Pfeffer unterfüttert diese Sichtweise mit einem Beispiel von Buckminster Fuller, der während einer Kreuzfahrt von der Wirkung des Trimmruders erleuchtet wurde. Diese Kraft wird von Flintoff als Schmetterlingseffekte bezeichnet und findet sich auch in Prousts Leidenstheorie wieder. »Wie lässt sich Design als kritische Kraft in die Zukunft fortschreiben? Welche Möglichkeiten bietet Design, die neue Normalität zu gestalten? — Um die Welt zu gestalten, brauche ich keinen festen Standpunkt. Mit einem festen Standpunkt kann ich keinen Unterdruck erzeugen. Ich muss mich bewegen.«

evtl. Könnte meine Anleitung eine Art Atlas werden, der die verschiedenen Wege zeigt oder Sichtweisen auf ein Thema und wie sich dadurch das Objekt selbst verändert. Ein initiales Beispiel dafür wäre der Altas der vergessenen Inseln.

Weitere absurde Ideen, ein Kiosk mit Meinungen, Haltungen und deren Argumente. Oder eine Wundertüte. Oder Community basiert eine Plattform?

Weiterführend
Dymaxion, Buckminster Fuller — Pionier, Kartierung
https://de.wikipedia.org/wiki/Dymaxion#Dymaxion-Weltkarte

Design for the Real World, Victor Papanek, 1971 — Designer und Designphilosoph
https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Papanek
http://playpen.icomtek.csir.co.za/~acdc/education/Dr_Anvind_Gupa/Learners_Library_7_March_2007/Resources/books/designvictor.pdf

Changeist, Scott Smith — Aktivist
http://www.changeist.com
http://www.flowfestival.si/talk/scott-smith-changeist-2/

Adhokratie, Henry Mintzberg, 1980 — Ökonom
https://de.wikipedia.org/wiki/Adhokratie

Relevanz
Einblick in das Thema Aufgaben eines Designers, Möglichkeiten und Chancen die Welt als Designer zu verbessern, Kommunikation, Vermittlung

Weiterverarbeitung
Handlungsmöglichkeiten
Bespiele, wo Gestalter politisch sind

Vernetzungen
Button
Flintoff
Förster
Proust

Presseschau 5. August 2015

»Wir sollten besorgt sein«

Kuhn, Daniel: Wir sollten besorgt sein. In: der Freitag (3.7.2015), Online.
https://www.freitag.de/autoren/netzpiloten/wir-sollten-besorgt-sein

»Nachrichten Apple stellt derzeit Journalisten ein, die Artikel für die kommende News-App schreiben. Dies erhöht aber auch die Gefahr, dass der Konzern seine Machtposition missbraucht«

Soviel zum Thema Transparent, Sichtbarkeit und barrierefreier Zugang. Die Open Data City wird zur Authorized Content Cell. Ein Schritt in die Zukunft? Wohl kaum. Wenn Journalisten von Großkonzernen bezahlt werden, und dass hat uns schon die Geschichte mit dem Springer-Verlag gelehrt, ist das kein Weg der verfolgt, unterstützt und eingeschlagen werden sollte.

»Neoliberal wird zu neofeudal«

Markwardt, Nils: Neoliberal wird zu neofeudal. In: der Freitag (5.8.2015), Online.
https://www.freitag.de/autoren/nils-markwardt/neoliberal-wird-zu-neofeudal

»Behörden: Häufig dauert es Monate, bis bei den Berliner Ämtern ein Termin frei ist. Gegen Geld geht es schneller«

Die Ökonomisierung der Verwaltung und des Bürgers. Wann ist die Demokratie dran?

»Guerilla-Aktion in Freital: Nazis essen heimlich Falafel«

Knuth, Hannah: Guerilla-Aktion in Freital: »Nazis essen heimlich Falafel«. In Spiegel Online (24.7.2015).
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/freital-heimliche-guerilla-aktion-gegen-rassismus-a-1045200.html

»Dies Irae« (Tag des Zorns) gehört der AdBusting-Bewegung an und hat in der Nacht vom 23. zum 24. Juli eine Guerilla-Anti-Rassismus-Kampagne in Freital initiiert. Die Künstlergruppe überklebte Werbeplakate und äusserte sich zur SPIEGEL ONLINE Redaktion: »Wir definieren uns als politische und selbst-denkende Menschen, die den öffentlichen Raum von der visuellen Umweltverschmutzung, auch Außenwerbung genannt, befreien. Wir meinen, dass es legitim ist, den öffentlichen Raum anzueignen – statt ihn der Werbeindustrie zu überlassen«.

Die Aktion zeigt, wie mit wenigen Mitteln für Aufmerksamkeit gesorgt werden kann. Die Resonanz der Bevölkerung ist leider nicht ersichtlich und die Wirkung nicht messbar. Die Plakate wurden am Tag darauf von dem zuständigen Unternehmen wieder entfernt. Hier stellt sich die Frage, ob eine festinstallierte Intervention einer Adhoc-Aktion vorzuziehen wäre, so dass der öffentliche Raum über einen längeren Zeitraum besetzt ist. Ausserdem wäre zu überlegen, ob eine positive oder negative Aussage für mehr Aufsehen sorgt. In diesem Falle gab negative, wobei berechtigterweise die Frage nach der Unterstützung gestellt werden muss, wenn negative Publicity auf der Tagesordnung steht. Humor ist gut, sollte aber nicht in Zynismus verfallen. Ebenso sind Anschuldigungen von Klischeegruppen fragwürdig. Wer würde sich selbst schon als Nazi oder Rassist bezeichnen?

Presseschau 23. Juli 2015

»Kommt nicht alle nach Paris!«

Schwarz, Susanne: Kommt nicht alle nach Paris!. Interview mit Tadzio Müller. In: der Freitag (2015), Nr. 30, S. 7.

In dem Interview erklärt Tadzio Müller, dass es nicht immer sinnvoll ist, wenn 100.000 Demonstranten auf eine Protest auftauchen. Er spricht davon, dass diese Energien verteilt und gezielt eingesetzt werden sollten. Es würde andere Effekte ergeben, wenn man nicht einmal im Jahr zu einer Demonstration geht, die sowieso stark besucht ist, und dann vielleicht noch hunderte Kilometer entfernt ist, sondern lieber nicht populäre regionale Aktionen unterstützt. Damit werden kleiner Aktion gestärkt und es gibt gleichmäßige Aktionen über das ganze Jahr anstatt eine riesige, die medial »ausgeschlachtet« wird.

Ich finde diesen Gedankengang inspirierend. Weiter gedacht, würde das heissen, dass sich gezielt an Aktionen beteiligen, die in Ihrer Umgebung sind und somit auch regional auf Missstände aufmerksam machen. Veränderung fängt in einer Demokratie immer im Kleinen an. Und wenn viele Menschen sich eine Haltung aneignen und gemeinnützig handeln, haben wir eine Chance Gesetzesänderungen selbstbewusst einzufordern und nicht nur über einzelne Interessengruppen abstimmen zu lassen.

Fragen
Aber wie können sich Bürger strategisch aktiv organisieren, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen und Handlungen einzufordern? Hier würde vielleicht ein kleines E-Mail- oder Telefon-Interview mit Tadzio Müller Aufschluss geben.

»Spielwiese für Querdenker«

Hasenheit, Marius: Spielwiese für Querdenker. In: der Freitag (2015), Nr. 30, S. 19.

»Utopival« ist ein geldfreier Kongress in der Nähe vom Köln der Anfang August stattfindet. Das Ziel: ohne Geld das Festival zu bestreiten. Dafür werden verkaufsuntaugliche Lebensmittel organisiert, kostenfreie Veranstaltungsräume von Überzeugten gestellt und die 100 Tickets verlost. Es gibt keine Honorare, keine Ausgaben. Das Konzept funktioniert nur im abgesteckten Rahmen. Die Organisatoren sind noch familienversichert und können es sich somit leisten »kostenfrei« zu leben. Hier greift meiner Meinung nach das gleiche Problem, dass auch bei »Aussteigern«, wie Wagenburgen existiert — ein Teil der staatlichen Fürsorge wird an dieser stelle ausgeblendet. Ich finde den Ansatz grundsätzlich gut, aber den falschen Idealismus als das »bessere« darzustellen funktioniert nur unkritisch. Solidarität ist ein Konzept, dass auf Teilnahmen, Mitgefühl, Gerechtigkeit und Gemeinschaftssinn aufgebaut ist. In solch einem Rahmen einen Kongress, Festival oder Gemeinschaft aufzubauen finde ich eine zukunftsweisende Idee. Allerdings sollten hier versteckte Geldquellen aufgelegt und transparent gemacht werden. Und wie lässt es sich »ohne Geld« leben, wenn unser Staat uns mit Gesundheitsvorsorgen, Wohngeld und kostenloser Bildung versorgt? An dieser Stelle könnte der Staat gleich für alle Bürger aufkommen, aber wer finanziert den Staat, wenn es keine Steuern gibt? Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Staat für nichts aufkommt, aber was passiert dann mit benachteiligten Menschen?

Fragen
Was ist mit den Ausgaben für die Webseite, Webspace, Druck von Tickets, Materialien, Anreisekosten, …

»Hand aufs Haupt«, S. 21

Markwandt, Nils: Hand aufs Haupt. In: der Freitag (2015), Nr. 30, S. 21.

Nils berichtet über die Macht der Empfindsamkeit in der Politik und beginnt mit einer Anekdote von Friedrich II., die die Historikerin Ute Frevert in Ihrem Buch »Gefühlspolitik« analysiert.
»Affektive Empfindungen und Einstellungen«, schreibt Frevert, waren »hier nicht Motive, sondern Ressourcen, Werkzeuge und Objekte des Handelns.