Spideralex »Technologische Souveränität«

Spideralex: Technologische Souveränität In: Utopie (2015), Nr. 1, S. 71.

Gelesen / Exzerpt: 29.8.2015 / 29.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Auslöser für den Text war ein Interview der Autorin mit Margarita Padilla. Spideralex beleuchtet den Begriff der technologischen Souveränität von der Bedeutung über aktuelle Initiativen bis hin zur Relevanz für unsere Gesellschaft. Alex ist Soziologin, Sozialwissenschaftlerin für Informations- und Kommunikationstechnologien des Gemeinwohls, Hacktivistin und engagiert sich für die sozialpolitische Transformation.

Ausarbeitung

Aus Mangel an frei verfügbaren Technologien und der Abhängigkeit von Großkonzernen, die unsere Daten verwalten müssen wir offene und freie Technologien nutzen. Nach Margarita Padilla besteht bei alternativen Projekten immer das Problem, des Aufwands, der damit einhergehenden Verzögerung und der fehlenden Mittel, um die Masse zu bedienen. »Wir haben die Souveränität vollständig verloren. Wir verwenden die Werkzeuge des Web 2.0 als wären sie übernatürlich, als würde es sie ewig geben. so ist es jedoch nicht, da sie sich in den Händen von Unternehmen befinden und diese zum Besseren oder Schlechteren, nicht auf ewig bestehen.« Als Grund nennt sie, »weil wir ihnen keinen Wert beimessen« (S.72, Padilla) und schlägt vor, diese Thematik analog der Ernährungssouveränität zu behandeln. Daraus ergeben sich Fragen der Werte, Herkunft, Nutzung, Zugänglichkeit, Unternehmensphilosophien und Fragen nach der Entwicklung, Gestaltung und Produktion neuer zivilgesellschaftlicher souveräner Technologien. »Wir definieren Zivilgesellschaft als Gesamtheit von Bürgerinnen und Kollektiven, deren individuelle und kollektive Aktionen nicht in erster Instanz durch Gewinnstreben motiviert sind, sondern durch den Versuch, Wünsche zu erfüllen und Bedürfnisse zu befriedigen und damit zugleich soziale und politische Transformation zu fördern.« In diesem Sinne sowie im Anliegen von Welzer ist es Zeit sich diesem Wandel anzunehmen und Werkzeuge zur demokratischen Transformation zu gestalten.

Ein Blick zurück in unsere auch jüngste Geschichte zeigt, dass »die Zivilgesellschaft stets taktische Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologien, der Medien und des freien Ausdrucks im Allgemeinen entwickelt hat.« (S.74) Diese Nutzung und Aneignung, teilweise mit Gewalt, war stets aktiv und wird auch in Zukunft, wahrscheinlich mehr denn je, aktiv oder besser interaktiv sein. Dieser Prozess lässt sich nicht mehr umkehren. Zitat Pfeffer?, ich glaube, da gab es eins. Gerade das Argument, dass »sich unsere elektronische und soziale Identität« (S.74) immer mehr aus dem »digitalen Universum« bildet, zeigt wie notwendig ein Bewusstsein, eine Übernahme oder Boykott und letztendlich eine unabhängige Alternative ist. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Gedanke von der Autorin ist, dass nicht Transparent ist was momentan aus diesen Massen an Daten gedeutet werden kann, und die mit Diebstahl oder bei Insolvenz damit umzugehen ist. Die Daten gehören eigentlich nicht den Unternehmen, sondern den Nutzern, und werde nur von diesen Unternehmen verwaltert. Analog hierzu seinen Bürgerämter, Polizeiarchive, Finanzämter genannt, die in meinen Augen die gleichen Funktionen haben. Allerdings sind diese Institutionen staatlichen wie bürgerlichen Regeln, wie dem Grundgesetz, unterworfen und nicht wirtschaftlichen oder ökonomischen. Unsere Daten sollten frei, eigenverwaltet, selbstverliehen, geschützt sein und nicht ausspioniert, handelbar, verkäuflich. Um der ungewünschten kommerziellen Dynamik entgegenzuwirken, »benötigen wir eine Vielzahl an Initiativen, Unternehmen Kooperativen und informellen Kollektiven, die uns mit den freien Technologien versorgen, die uns fehlen.« Die Autorin plädiert dafür, wenn wir mehr Privatsphäre und Anonymität in der digitalen Realität wünschen, müssen wir selbst diese Werkzeuge erschaffen oder bestehende nutzen.

Allerdings stellt sich hier die Frage: Warum bereits bestehende Methoden nicht von der Mehrheit genutzt werden und ob es Möglichkeiten gibt, diesen Wandel durch gezielte Gestaltung zu befördern. Ich sehe hier vor allem Potential in kleinen Netzwerken wie lokale Nachbarschaften, Bürgerbündnisse oder ortsgebundene Daten. Die Konzepte von Open Source, Crowd, Community bestehen mit einer guten Basis, aber leider fehlt es an »Massentauglichkeit« im Sinne von Einfachheit, Verständlichkeit, Popularität und Coolness. Neben Ethik und Zugänglichkeit müssen auch die Fragen nach den ökologischen sowie sozialen Kosten der Produktionszentren gestellt werden und damit an Effizienz, Lebenszyklus, Dienstleistungsangeboten, Aufgabenverteilung. Aus Sicht der Autorin »ist es wichtig zu verstehen, dass keine neutralen Technologien existieren. Sie alle sind Absichtserklärungen und zei(ti)gen mannigfaltige Folgen.« (S.76) Deswegen rät sie, wie auch im Konsum- und Ernährungsverhalten souveräne Entscheidungen zu treffen und fehlende Werkzeuge einzufordern: »Jede Einzelne von uns ist Expertin ihrer eigenen Beziehung zu den Technologien. Deshalb können wir uns alle daran probieren, diese Beziehung zu analysieren, um sie neu zu erfinden.« (S.76)

Weiterführend
Margarita Padilla — Software-Entwicklerin, Hackerin, Cyberguerrilla
http://medialab-prado.es/person/margarita_padilla_

MediaLab Prado — Zentrum für Digitalkultur am Prado Madrid
http://medialab-prado.es
http://medialab-prado.es/article/convocatoria-explorando-desigualdad
http://medialab-prado.es/article/aprendizajes

Hippolyta — Forschungsgruppe seit 2005, reflektiert über »Technologie-Domain« und ihre sozialen Auswirkungen
http://www.ippolita.net

Technologische Souveränität — Selbstbestimmung in der Entwicklung und Produktion von Technologien
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/digitale-souveraenitaet-blinde-wut-auf-amerika-reicht-nicht-13398118.html
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/wem-gehoert-das-netz-entamerikanisiert-endlich-das-internet-13370167.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kommentar-zum-NSA-Skandal-Die-technologische-Souveraenitaet-zurueckgewinnen-2216143.html

Digitale Souveränität — Selbstbestimmung im Umgang mit digitalen Medien
https://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Souver%C3%A4nit%C3%A4t
https://netzpolitik.org/2015/realitaetscheck-bitkom-position-zu-digitaler-souveraenitaet-an-open-source-denkt-leider-keiner/

Relevanz
Einblick in das Thema autonom-gemeinschaftsverwalteter Technologien, digitaler Daten und Kommunikationsmittel
Plädoyer für den Bedarf und die Entwicklung einer Souveränität

Weiterverarbeitung
Definition »Zivilgesellschaft«, Spideralex, Utopia Magazin
Kapitel: 1 Gegenstand und 2 Bestandsaufnahme

Vernetzungen
Welzer
Pfeffer