Bernd Sommer / Harald Welzer »Trans­formations­design«

Welzer, H. / Sommer, B. (2014). Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. München: Oekom Verlag.

Gelesen / Exzerpt: 23.8.2015 / 23.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Bernd Sommer und Harald Welzer geben Gründe, Argumentationen und Bespiele, wie und warum unsere Welt, gerade jetzt, aktiv verändert werden muss. Vom Klimawandel, Krisen und Knappheit geprägt, können neben Pionier-Kooperationen auch wir, als einzelne Akteure etwas bewegen. Bernd Sommer ist Soziologe und Kulturwissenschaftler, seit 2012 Leiter des Bereichs »Klima, Kultur und Nachhaltigkeit« am Norbert Elias Center for Transformation Dessign & Research (NEC) der Europa-Universität Flensburg.

Ausarbeitung

Die Autoren gehen von dem Begriff Transformationsdesign als aktive Gestaltung des Wandels in eine nachhaltige Zukunft aus. Dabei wird jeder zum Gestalter seiner Umwelt. Neben einer umfangreichen und tiefgreifenden Erörterung der Relevant und den Möglichkeiten ist für mich besonders das Kapitel 7 »Heterotopie als Gesellschaftsdesign — Die soziale Organisation des Weniger« wichtig. »Jeder Schritt in eine vom business as usual abweichende Richtung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auch der nachfolgende zweite, dritte, vierte Schritt in diese Richtung erfolgen wird […] Menschen korrigieren einmal gefällte Entscheidungen […] ungern, weil das nicht nur den Orientierungsbedarf erhöht, sondern auch die Infragestellung und Revision einer ganzen Kette von Entscheidungen erfordert (Welzer 2005)« (S.177) Welzer sieht die Schnittstelle für den Pfadwechsel und der eingeschlagenen Richtung als wichtig an, weil sie selbst nur praktisch erschlossen werden kann und somit zur Transformation selbst wird. Durch neue Erfahrungen ändert sich die eigene Sichtweise und eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten. Welzer bezeichnet diesen ersten Schritt als Autopoetik. Diese Phänomen könnte ich mir zu Nutze machen und gezielt zur Aktivierung einsetzen. Weiter spricht der Autor über den Bedarf der Einübung des Abweichen und führt den Begriff der Politisierungsgymnastik ein. (S.178) An dieser Stelle schlägt mein Herz schneller. Hatte ich nicht letztes Jahr diesen liebevollen Gymnastique-Adventskalender gestaltet und als hochwertiges DIY-Produkt herausgebracht? Vielleicht wäre neben einem weiteren Kalender zur Politikgymnastik ein ganzes Studio zu gestalten? »Je mehr konkrete Pfadwechselschritte es gibt, desto wahrscheinlicher wird die Attraktivität, zunächst aber auch einfach nur die Sichtbarkeit einer gesellschaftlichen Transformation.« (S.179) Dabei lässt Welzer den Einwand gelten, das diese meist privaten Korrekturen »keineswegs ein[en] gesamtgesellschaftlich[en] oder gar global wirksamer[en] Pfadwechsel« einleiten. (S.179) Er argumentiert, dass sich das bessere nicht automatisch durchsetzt sonder nur, wenn sich die Durchsetzung erfolgreich gestaltet und die Prozesse tiefunwirksam eingeschrieben werden. Dabei ruft Welzer mit den Worten Nikolai Kondratieff zur Aktion auf: »Wir müssen nach Organisationen der Solidarität suchen, die eine eigene Produktionsstruktur besitzen. Es gibt sie. In ihnen können Menschen sich nicht nur verteidigen, sondern (ohne ein System direkt anzugreifen) autonome Alternativen dagegensetzen. Nicht Utopie, sondern Heterotopie.« (S.180)

Diesen Gedanken weitergedacht würde für meine Masterarbeit bedeuten, ein selbst- bzw. bürgerverwaltete unter dem Stichpunkt Open-Source-gestützte Plattform zu entwicklen, über eine Beispiel- und Projekte-Datenbank verfügt, geeignete Maßnahmen in Form eines Kataloges (plus Filter) vorschlägt und als aktives Bürgerbeteiligungswerkzeug eingesetzt werden kann. Als Kategorisierung, Bewertung oder Verortung einzelner Aktionen könnten die Werte der Gemeinwohlbilanz dienen: »Menschenwürde, Solidarität, Ökologische Nachhaltigkeit, Soziale Gerechtigkeit, Demokratische Mitbestimmung & Transparenz« (S.194) Wo fängt Veränderung an und warum ist es wichtig seine Handlungen zu relfektieren? »Seit der Frauenbewegung wissen wir, dass »das Private politisch ist«, selbst wenn es gar nicht politisch sein möchte, also in die Gesellschaft hinein- und in die Welt hinzuwirken will. […] Wir sind wieder bei der »Matrix des Wandels«: Dieser beginnt innerlich, gedanklich, beim Verbundensein, beim persönlichen Lebensstil, er wird artikuliert, zum Diskurs, Pilotprojekte und Prototypen entstehen, bilden Netzwerke, Strukturen, Rhizome, System. Ich nehme weltweit eine noch namenlose, aber stetig wachsende Community von Menschen wahr, die global denken und fühlen und ihren je persönlichen und oft lokalen Beitrag zum ökologischen, demokratischen und kulturellen Wandel leisten. Das ist Weltpolitik jenseits von Parteien; es ist globales Transformationsdesign von Individuen und Kollektiven, die teils formal, teil emotional und teils spirituell miteinander verbunden sind.« (S.196, Christian Felber: Autor, Universitätslehrer, Tänzer, Vordenker, Initiator der Gemeinwohlökonomie-Bewegung). Zum entscheiden in welcher Art die Plattform veröffentlich wird gibt vielleicht Silke Helfrich et. al (2009:9) die entscheidende Grundlage. Sie grenzt klar Gemeingüter von öffentlichen ab: »Während öffentliche Güter […] vom Staat bereitgestellt werden, entstehen soziale Gemeingüter […] zumeist in einem gemeinschaftlichen und vor allem selbst-organisierten Prozess.« (S. 205/206). Nach David Bollier (2014:4f.) entsteht Commens, »wehender a given community decides that it wishes to manage a resource collectively, with an accent on fair access, use, and longterm sustainability« und stellen laut Welzer Alternativen zu wirtschaftlichen oder staatlichen Mechanismen dar (S.206).

Als Argument für den Pfadwechsel greift Welzer auf die soziologische Theorie von Norbert Elias (1996a:77) zurück, der »Macht« nicht als politische Herrschaftsausübung sondern als Bestimmung der jeweiligen Wirkmächtigkeit der Beteiligten an sozialen Beziehungen definiert. (S.213) »Mithilfe des Machtverhältnisses von Elias lassen sich also die Chancen der Mitglieder sozialer Figurationen bestimmen, ihre Interessen gegenüber den anderen Mitgliedern durchsetzen. […] Macht kommt also nicht der Person an sich zu, sondern ist jeweils abhängig von der Art und Gestalt des sozialen Beziehungsgefüges, zu dem sie gehört.« (S.214) Welzer fasst zusammen, dass ökologische Fragen automatisch soziale und somit Gerechtigkeitsfragen sind: »Im Unterschied zum »demokratischen Kapitalismus« (Streeck 2013) der westlichen Nachkriegsmoderne führt wirtschaftliche Expansion heute nicht zu mehr Gleichheit, sonder zu mehr Ungleichheit.« (S.216) »Wie jede soziale Bewegung muss sich als auch eine soziale Transformationsbewegung auf eine Veränderung der bestehenden Machtbalancen richten.« (S.221) Schlussfolgernd müssen besetzte Postionen befreit, verteilt und neu-besetzt werden. Machtdifferenziale können nach Welzer nur durch Pfadwechsel verändert werden, die unausweichlich mit sozialen Auf- und Abstiegsprozessen einhergehen. Der Kern ist nicht die Abschaffung des Kapitalismus, sondern »das Verhältnis von Kapital und Arbeit neu [zu] konfigurieren.« (S.222) Und dieser Wandel bedarf nicht nur Argumente sondern Aktionen: Durchstehen von Kämpfen und Konflikten. Aus diesem Grund müssen wir selbst aktiv werden, uns organisieren und gemeinsam unsere Zukunftsvision in Angriff nehmen. Einen radikalen Ansatz könnten hier der Artikel 14 (3) und 15 zur Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit liefern.

Mit meiner Masterarbeit möchte ich unsere demokratischen Werte schützen und die Bürgerbeteiligung transformieren. Mittel, Wege, Werkzeuge zur aktiven Gestaltung von Demokratie gestalten und für alle Zugänglich machen. Dabei steht vor allem das lokale, nachbarschaftliche, menschliche, soziale Handeln im Mittelpunkt. Ob es nun zur Veränderung des eigenen Wohnhauses, Straßenzuges oder Viertels beträgt sein offen gehalten. Veränderungen fangen im Kopf mit der Idee an, und wenn ich davon vielerorts berichte, finden sich Verbündete, Mitstreiter und Erfahrende, die zusammen eine Aktion gestalten. Diese kann wiederum Zündstoff für weitere Beteiligung sein und als Kettenreaktion um die ganze Welt gehen. Wir wollen keine Nischen besetzen, sondern die prominenten Plätze in der Mitte der Gesellschaft uns aneignen.

Dabei müssen folgende Fragen beantwortet werden:
1. Warum ist der demokratische Prozess zu transformiert?
2. Was wir aus der Geschichte lernen können? Positiv / Negativ.
3. Wie sieht es heute aus? Was sind Missstände?
4. Wie können Transformationen aussehen? Beispiele.
5. Ein Blick in die Zukunft: Ansatz zur Transformation. Artefakt.

Weiterführend
Heterotopie, Michel Foucault — Ort, Zone als tatsächlich realisierte Utopie, in der alle anderen Räume innerhalb einer Kultur zugleich repräsentiert, bestritten oder umgekehrt werden
https://de.wikipedia.org/wiki/Heterotopie_(Geisteswissenschaft)
http://www.utopia.de/blog/gruene-loge/michel-foucault-ueber-utopie-und

Autopoetik, Niklas Luhmann — »Ein soziales System kommt zustande, wann immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht und sich durch Einschränkung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt abgrenzt. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, auch nicht aus Handlungen, sondern aus Kommunikationen.«
https://de.wikipedia.org/wiki/Autopoiesis

Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung, Christian Felber — Unternehmen werden nicht länger an den Mitteln des Wirtschaftens gemessen (Geld, Kapital und Finanzgewinn), sondern an den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Lebensqualität, Gemeinwohl). Auf der Makroebene (Volkswirtschaft) wird das Bruttoinlandsprodukt als Erfolgsindikator vom „Gemeinwohl-Produkt“ abgelöst, auf der Mikroebene (Unternehmen) die Finanzbilanz durch die Gemeinwohlbilanz. Je sozialer, ökologischer, demokratischer und solidarischer Unternehmen agieren und sich organisieren, desto bessere Bilanzergebnisse erreichen sie. Je besser diese in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist das Gemeinwohl-Produkt.
http://www.heute.de/gegen-kapitalismus-fuer-marktwirtschaft-gemeinwohl-oekonomie-als-alternative-37875214.html
https://www.ecogood.org

Machtdifferentiale, Theodore D. Kemper — Die Macht-Status-Theorie ist ein Ansatz der Emotionssoziologie und geht von einem dualen Beziehungsmodell aus, bei dem sich die Akteure auf die jeweiligen Macht – Status – Dimensionen innerhalb dieses Modells beziehen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Macht-Status-Theorie

Relevanz
Begründung und Notwendigkeit der gesellschaftliche Relevanz
Ideengeber

Weiterverarbeitung
Einleitung
Kapitel: 1 Gegenstand und 2 Bestandsaufnahme

Vernetzungen
Rob Hopkins
Christian Felber
Silke Helfrich
David Bollier
Grundgesetz

Dieter Daniels / Torsten Hattenkerl »Orte, die man kennen sollte«

Daniels, D. / Hattenkerl, T. (2013). Orte, die man kennen sollte. Spuren der nationalsozialistischen Vergangenheit in Leipzig. Leipzig: Hochschule für Grafik und Buchkunst.

Gelesen / Exzerpt: 23.8.2015 / 23.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Das Projekt wurde durch Dieter Daniels und Torsten Hattenkerl betreut und von Studierenden der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig von 2011 bis 2013 durchgeführt. Im Zentrum steht der aktive Umgang mit der nationalsozialistischen Erinnerungskultur, und diese »mittels einer künstlerischen Perspektive wieder in die Sichtbarkeit zu rücken. Dieter Daniels ist Mitbegründer der Videonale Bonn, Verantwortlicher für den Aufbau der Mediathek am ZKM, seit 1993 Professor für Kunstgeschichte und Medientheorie an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB).

Ausarbeitung

Ausgangspunkt war eine öffentliche Debatte, um das heikle Thema, die durch unterschiedliche Wahrnehmungen in der deutschen Gesellschaft hervorgerufen wurden. Den Herausgebern »geht es nicht darum, ein weiteres neues Denkmal zu schaffen, sondern im positivsten Fall um eine Praxis der Erinnerung, die sich auch den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen widmet.« (S.8) Als wichtiges und zentrales Argument wird die notwendige ständige Aktualisierung eingefordert, weil es keine einmalige determinierende Aktion gibt, sondern Handlungen immer wieder erneuert werden müssen um für die Zukunft tragfähig zu bleiben. (S.9) Wichtig ist der Hinweis, dass die 70 veröffentlichten Fotografien der Publikation von den insgesamt 285 in der Ausstellung gezeigten, nach subjektiven künstlerisch-ästhetischen Aspekten ausgewählten wurden. Bewusst wurde auch die Fotografie als Methode gegen das Alltagsvergessen eingesetzt, um »scheinbar vertraute und ebenso offensichtlich vergessene Orte des Gedenkens« in die Erinnerung zu rufen. Die Fragen nach »Alltagsbezügen zur Geschichte« und dem »Nachdenken über eigene Handlungsspielräume« spielen ebenfalls für mein Masterthema eine zentrale Rolle. »Doch wir wissen, dass Orte in diesem Sinne kein Gedächtnis haben: Sie zeigen sich nicht selbst als historisch, und sie sprechen nicht zu uns, wenn wir ihnen nicht unsere Stimme leihen.« (S.11)

Orte, Handlungen und deren Sichtbarkeit sind genauso relevant wie die Geschichte und Stimme der Beteiligten. Mit meiner Arbeit möchte ich Bürgern einen leichteren Zugang zur Beteiligung ermöglichen und Ihre Stimme vor allem für andere sichtbar oder besser hörbar machen. So dass gemeinsame Interessen erkannt, Energie gebündelt und alte Wege des Aktionismus in die digitale global-vernetzte Welt transformiert werden können.

Zwischen-Recherche / Artefakt: Fotobuch / Datenbank über positive Beispiele von Bürgerbeteiligung und Aktionismus. Wichtig ist, dass es kleine oder eigene Beispiele sein müssen, wo man sagen kann, das kann ich doch auch. Analog Flintoff

Idee: Aufkleber für Büros / Läden / öffentliche wie private Stellen, wo gegenseitige Unterstützung gewünscht ist. »Kommen sie doch rein, wie helfen Ihnen bei Ihren Sorgen.«

Weiterführend
Ausstellung, HGB, 2013 — Erinnerungskultur
http://www.hgb-leipzig.de/orte

Relevanz
Wege zur Sichtbarkeit, Kommunikation, Vermittlung eines komplexen Themas

Weiterverarbeitung
Kapitel zu Handlungsmöglichkeiten
Bespiele, wo Künstler/Gestalter politisch sind

Vernetzungen
Flintoff
Welzer