Amitav Etzioni »Eine neue Charakterisierung des guten Lebens«

Etzioni, Amitav (2012). Eine neue Charakterisierung des guten Lebens. (S.328-338) In: Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.

Gelesen / Exzerpt: 24.8.2015 / 30.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Etzioni geht der Frage nach, wie die Welt 2050 aussehen könnte? Dabei erörtert er den Wandel unseres Lebens mit Werten, Haltungen, Philosophien, Interessen und möglichen Praktiken. Amitav Etzioni ist Soziologe, politischer Aktivist, Vertreter des Kommunitarismus, Namensgeber der Responsivität und wurde 2009 mit dem Meister-Eckhart-Preis ausgezeichnet.

Ausarbeitung

Etzioni geht davon aus, dass wir uns in ökonomischen sowie gesellschaftlichen Zyklen bewegen und kurz vor der Sättigung des Glücksversprechens KONSUM angekommen sind. Die daraus resultierende Frage: »Wofür wollen wir arbeite, wenn nicht für den Konsum?« (S.330) beantwortet er mit der Erfüllung nach »höheren Bedürfnissen […] wie Gemeinschaftsorientierung und transzendente Quellen menschlichen Wohlergehens.« (S.333) Dafür werden geldlose Ressourcen »in zwischenmenschliche Beziehungen investiert«, ob nun für die eigene Familie, das Gemeinwohl, ehrenamtliche Tätigkeiten oder politischen Beteiligung. Der Motor dieser Gesellschaft ist nicht Altruismus sondern Gegenseitigkeit. »Gemeinschaftsbezogene Aktivitäten erfordern die Entwicklung sozialer und kommunikativer Fähigkeiten sowie die Bereitschaft, Zeit und Energie aufzuwenden. Materielle oder finanzielle Aufwendungen sind in der Regel nicht gefragt« (S.336), sondern es wird eher selbstverständlich sein »Reichtum freiwillig mit anderen zu teilen.« (S.336) In diesem Fall wäre eine öffentlich zugängliche Datenbank mit Problemen, Ressourcen, geteiltem Wissen und Handlungsempfehlungen zur aktiven Beteiligung hilfreich, um diesen höheren Bedürfnissen eine Plattform zu geben.

»Ohne Frage: wenn eine Kultur sich von einer konsumorientierten Lebensweise verabschieden möchte, um die höheren Bedürfnisse des Menschen mit transzendentalen Projekten zu befriedigen, muss die Option, an solchen Tätigkeiten teilzunehmen, in größerem Maße möglich sein.« (S.337) Diese Entwicklung kann nach Etzioni bereits heute bei Menschen im Rentenalter erkannt werden. Auch meine eigene Erfahrungen, die ich im Experiment »Büro für alle Belange, Sorgen und Verstimmtheiten« gemacht habe, unterstreichen diese These. Alle Besucher und Kunden, die meine Dienstleistung als HÖRER bzw. lebendes Schwarzes Brett in Anspruch genommen haben, waren entweder arbeitsunfähige Invaliden oder im Ruhestand. Die Philosophien des »Weniger ist Mehr« und der Responsivität deuten ebenfalls in diese Richtung und unterstützen die Idee eine ortsbezogene Beteiligungsplattform mit Projekten und geteilten Ressourcen für eine Nachbarschaftsgemeinschaft zu entwerfen.

Weiterführend
Kommunitarismus, John Rawls, 1980 — politische Philosophie des Gemeinschaft, die die Verantwortung des Individuums gegenüber seiner Umgebung und die soziale Rolle der Familie betont.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunitarismus

Responsivität, Amitav Etzioni — die Möglichkeit einer Organisation oder Gesellschaft, sensibel auf Anliegen ihrer Mitglieder zu reagieren
http://www.afs-ev.de/div-pap/responsivitaet.pdf

Relevanz
Zukunft der Gesellschaft und ihren Bedürfnissen
Möglichkeiten für entsprechende Dienstleistungen und Produkte

Weiterverarbeitung
Kapitel: 1 Gegenstand

Vernetzungen
John Rawls

Mercedes Bunz »Die stille Revolution«

Bunz, M. (2012). »Die stille Revolution: Wie Algorithmen Wissen, Arbeit, Öffentlichkeit und Politik verändern, ohne dabei viel Lärm zu machen«. Berlin: Suhrkamp Verlag

Gelesen / Exzerpt: 30.8. / 30.8.2015
Standort: eigene Sammlung

Abstakt

Bunz schreibt über die Möglichkeiten der Digitalisierung. Mit einem Blick in die Vergangenheit kann sie für die nachhaltigen Veränderungen unserer Gesellschaft sensibilisieren und Gestaltungsräume für die Vision der Zukunft öffnen. Dieser Text bietet einen Einblick in das Thema aus Medientheoretischer Sicht und liefert Beispiele für die Veränderung unserer Gesellschaft durch das Netz. Mercedes Bunz promovierte über die Geschichte des Internet, war Chefredakteurin von Tagesspiegel Online, Technologiereporterin des Guardian, leitet das Hybrid Publishing Lab an der Leuphana Universität und wurde 2010 mit dem Fachjournalisten-Preis des Deutschen Fachjournalisten-Verbands ausgezeichnet.

Ausarbeitung

Nach Bunz ist das »Archiv der Gegenwart […] ein medialer Raum, in dem wir gegenwärtiges Geschehen abbilden.« (S.119) Der Speicher — früher die Bibliothek — ist das Internet und das Medium sind Smart-Devices (mobile Displays). Durch die permanente und allgegenwärtige Verfügbarkeit mussten wir uns über die letzten 10 Jahre eine digitale Souveränität aneignen. Da die Kommunikation aber nicht in eine Richtung geht, wie die Medien des 20. Jahrhunderts mit one-to-many sondern von viele mit many-to-many, haben wir eine nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten der Aktivität und Beteiligung. »Im Unterschied zu ihren Verkäufern zeichnen sich die Mitglieder des digitalen Öffentlichkeit […] durch ihre aktive Partizipation aus.« (S.140) Allerdings gibt Bunz zu bedenken, »dass sich viele der entsprechenden Plattformen in Privatbesitz befinden und die neue Öffentlichkeit virtuell ist.« (S.139) Dabei spielt der Ort des Geschehens eine immer größere Rolle. Informationen können nicht nur invasiv, sondern unmittelbar ortsbezogen und für eine gewählte Gruppe zugänglich gemacht werden. Das ermöglicht uns: Informationen unterwegs einzusammeln, vor Ort auf eine Situation aufmerksam zu machen oder gestossen zu werden. Mit diesem Wissen, können Beteiligungsprozesse völlig anders gedacht werden. Alternativen für die technologische Souveränität liegen ebenfalls vor, werden aber bisher nur von kleinen spezialisierten Communities wie Hackern oder Open-Data-Aktivisten verwendet.

Für Bunz besteht »Das Ziel der demokratischen Politik […] nicht darin, Gewinne einzufahren, sondern darin, das Zusammenleben der Menschen zu ihrem Besten zu gestalten.« (S.137) In diesem Sinne sollte die Politik dem digitalen Bürger mehr Rechte einräumen. Vielleicht ist sogar eine Anpassung des Grundgesetzes notwendig, um die Rahmenbedingungen für unsere komplexen Realitäten und Identitäten zeitgemäß zu regeln. Vielleicht sollte jeder Bürger recht auf smarte Kommunikation haben? Vielleicht sollte der Staat eine Cloud für seine Bürger bereitstellen, die durch Zusammenschlüsse eigenständige Netzwerke bilden? Würden des Datenschutzbeauftragte kritischer finden, wenn die EU, BRD oder einzelne Kommunen ein Social-Media-Netzwerk zur freien Verfügung stellen statt Facebook zu nutzen? Und wenn es vorstellbar wäre, wer macht die Arbeit und wer zahlt dafür? Viele Beteiligungs- und Open-Crowd-Projekte funktionieren nach den Prinzipien der Gemeinnützigkeit und sollten »eigentlich staatlich umgarnt und gefördert werden. Es ist […] im Grunde ehrenamtliche Arbeit […]« (S.140) Vielleicht könnten entsprechende Gemeinwohl-Plattformen oder digitale Demokratieaktivitäten vom Verteidigungs-, Bildungs- und Familienministerium finanziert werden. Aber vielleicht ist an dieser Stelle eine Finanzierung und Regulierung von staatlicher Seite nicht notwendig, denn »Geld wäre bloss noch ein Mittel unter vielen.« (S.158) Bunz schaut positiv in die Zukunft und gibt uns eine Vision mit auf den Weg: »Dank der Digitalisierung können sich damit Protestbewegungen und Organisationen, Vereine und Zusammenschlüsse, […] ihre eigenen Freiräume organisieren. Vielleicht können sie sogar aus der bestehenden Gesellschaft heraus eine neue bilden«. (S.159)

Weiterführend
Smart Mob, Howard Rheingold, 2002 — Flashmob mit politischer oder weltanschaulicher Botschaft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Smart_Mob
http://www.wp11233044.server-he.de/aktionen/ich-bin-mehr-als/smart-mob-gegen-diskriminierung

Sukey, Sam Carlisle / Sam Gaus — Live Tracking während einer Demonstration, um staatlichen Einkesselungen vorzubeugen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Sukey

Ushahidi, Erik Hersman — Activist mapping, in Echtzeit nutzergenerierte Information, die auf interaktiven Karten visualisiert werden, um adhoc Hilfsnetzwerke zubilden.
http://www.ushahidi.com/

Relevanz
Einblick in das Thema aus Medientheoretischer Sicht
Beispiele für die Veränderung unsere Gesellschaft durch das Netz

Weiterverarbeitung
Glossar
Kapitel: 1 Gegenstand

Vernetzungen
Spideralex