Presseschau 23. Juli 2015

»Kommt nicht alle nach Paris!«

Schwarz, Susanne: Kommt nicht alle nach Paris!. Interview mit Tadzio Müller. In: der Freitag (2015), Nr. 30, S. 7.

In dem Interview erklärt Tadzio Müller, dass es nicht immer sinnvoll ist, wenn 100.000 Demonstranten auf eine Protest auftauchen. Er spricht davon, dass diese Energien verteilt und gezielt eingesetzt werden sollten. Es würde andere Effekte ergeben, wenn man nicht einmal im Jahr zu einer Demonstration geht, die sowieso stark besucht ist, und dann vielleicht noch hunderte Kilometer entfernt ist, sondern lieber nicht populäre regionale Aktionen unterstützt. Damit werden kleiner Aktion gestärkt und es gibt gleichmäßige Aktionen über das ganze Jahr anstatt eine riesige, die medial »ausgeschlachtet« wird.

Ich finde diesen Gedankengang inspirierend. Weiter gedacht, würde das heissen, dass sich gezielt an Aktionen beteiligen, die in Ihrer Umgebung sind und somit auch regional auf Missstände aufmerksam machen. Veränderung fängt in einer Demokratie immer im Kleinen an. Und wenn viele Menschen sich eine Haltung aneignen und gemeinnützig handeln, haben wir eine Chance Gesetzesänderungen selbstbewusst einzufordern und nicht nur über einzelne Interessengruppen abstimmen zu lassen.

Fragen
Aber wie können sich Bürger strategisch aktiv organisieren, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen und Handlungen einzufordern? Hier würde vielleicht ein kleines E-Mail- oder Telefon-Interview mit Tadzio Müller Aufschluss geben.

»Spielwiese für Querdenker«

Hasenheit, Marius: Spielwiese für Querdenker. In: der Freitag (2015), Nr. 30, S. 19.

»Utopival« ist ein geldfreier Kongress in der Nähe vom Köln der Anfang August stattfindet. Das Ziel: ohne Geld das Festival zu bestreiten. Dafür werden verkaufsuntaugliche Lebensmittel organisiert, kostenfreie Veranstaltungsräume von Überzeugten gestellt und die 100 Tickets verlost. Es gibt keine Honorare, keine Ausgaben. Das Konzept funktioniert nur im abgesteckten Rahmen. Die Organisatoren sind noch familienversichert und können es sich somit leisten »kostenfrei« zu leben. Hier greift meiner Meinung nach das gleiche Problem, dass auch bei »Aussteigern«, wie Wagenburgen existiert — ein Teil der staatlichen Fürsorge wird an dieser stelle ausgeblendet. Ich finde den Ansatz grundsätzlich gut, aber den falschen Idealismus als das »bessere« darzustellen funktioniert nur unkritisch. Solidarität ist ein Konzept, dass auf Teilnahmen, Mitgefühl, Gerechtigkeit und Gemeinschaftssinn aufgebaut ist. In solch einem Rahmen einen Kongress, Festival oder Gemeinschaft aufzubauen finde ich eine zukunftsweisende Idee. Allerdings sollten hier versteckte Geldquellen aufgelegt und transparent gemacht werden. Und wie lässt es sich »ohne Geld« leben, wenn unser Staat uns mit Gesundheitsvorsorgen, Wohngeld und kostenloser Bildung versorgt? An dieser Stelle könnte der Staat gleich für alle Bürger aufkommen, aber wer finanziert den Staat, wenn es keine Steuern gibt? Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Staat für nichts aufkommt, aber was passiert dann mit benachteiligten Menschen?

Fragen
Was ist mit den Ausgaben für die Webseite, Webspace, Druck von Tickets, Materialien, Anreisekosten, …

»Hand aufs Haupt«, S. 21

Markwandt, Nils: Hand aufs Haupt. In: der Freitag (2015), Nr. 30, S. 21.

Nils berichtet über die Macht der Empfindsamkeit in der Politik und beginnt mit einer Anekdote von Friedrich II., die die Historikerin Ute Frevert in Ihrem Buch »Gefühlspolitik« analysiert.
»Affektive Empfindungen und Einstellungen«, schreibt Frevert, waren »hier nicht Motive, sondern Ressourcen, Werkzeuge und Objekte des Handelns.