Wie führe ich ein Interview?

Um mehr über mein Thema in Erfahrung zu bringen, einen Einblick in unterschiedliche Organisationsstrukturen zu erlangen und einen Fokus bzw. eine Fragestellung zu erarbeiten werden ich einige Experten interviewen. Dafür suche ich mir im 1. Schritt aus drei verschiedenen Bereichen Personen, Organisationen, Institutionen heraus, notiere, warum diese Relevant sind und frage nach einem Interviewtermin. Im 2. Schritt bereite ich das Interview vor. Ein Steckbrief über den Interviewpartner versorgt mich im Vorfeld über die nötigen Informationen und stellt bereits die ersten Fragen. Ein Leitfaden fasst die Fragen in Themenblöcke zusammen und gibt dem Interview die nötige Struktur. Ebenso werden in diesem Schritt die Technik getestet, Termine bestätigt und die Anreise organisiert. Das eigentliche Interview wird erst im 3. Schritt durchgeführt. Dabei ist zu beachten, dass eine Einverständniserklärung unterschieben wird und mit 2 bis 3 einfachen Fragen, das Interview entspannt beginnt. Im vierten und letzten Schritt wird die Aufzeichnung teilweise oder vollständig transkribiert, codiert, verglichen und mögliche Schlussfolgerungen festgehalten. Ausserdem wird ein Stimmungsbild in Form eines Erfahrungsberichts angefertigt. Die einzelnen Punkte, wie mein Vorgehen ist und was alles beachtet werden muss, ist nachfolgend aufgelistet.

Ziel
Durch Interviews Einblick ins Thema und meinen Fokus finden

Experten

  • Correctiv [https://correctiv.org] Transparenz
  • Open Data City [https://opendatacity.de] Transparenz
  • Haushalten e.V. Wohnraum
  • Neustädter Markt Journal Nachbarschaft
  • Querbeet Nachbarschaft
  • Bürgerzentrum Ost Stadtverwaltung

Mögliche weitere Experten

  • Stadtverwaltung ggf. zum Projekt »Parkbogen Ost«
  • Oase Sozialcafé und Kleiderkammer
  • Buchkinder / Tante Hedwig
  • Pöge-Haus
  • Begegnungsstätten / Treffpunkte / Vereine?

Recherche / Begriffe klären

  • Aktionismus Forschung
  • politischer Aktionismus
  • Transparenz
  • Transparent machen durch Aktionismus
  • Politisch Aktiv
  • Politik vs. politisch
  • Aktionismus vs. politisch Aktiv
  • Transparenz vs. Zugänglichkeit
  • Aktionismus vs. Interesse
  • Transparenz vs. Sichtbarkeit
  • Zugänglichkeit vs. Unsichtbarkeit

Checkliste / Vorgehen

Anfrage

  • Experten suchen (Warum diese? Kontraste berücksichtigen.)
  • Datenbank mit Telefonnummer und Ansprechperson
  • Persönlich Anrufen
  • E-Mail nachschicken
    – Kontext
    – 2 bis 3 Sätze, um was es geht
    – Audio-Aufnahme, wenn nichts dagegen
    – Zeitlimit (max. 30 Minuten)
    – Transparenz. Was gebe ich Preis?
    – Kontaktdaten
    – Webseite (spurlog.com)
  • Termin vereinbaren

Vorbereitung

  • Einverständniserklärung zur Veröffentlichung
    – Daten werden im Rahmen der Masterarbeit veröffentlicht
    – vorher Einsicht möglich (Interview schicken)
    – ggf. Stimme nachsprechen, falls keine Aufnahme mögl.
    – Anonym oder Namen nennen
    – Veröffentlichung auf spurlog.com
  • Aufnahmegerät mit Richtmikro kaufen / leihen (Thoman H2 Zoom)
  • Audioaufnahme testen
  • Steckbrief Interviewpartner / Institution erstellen
    – Fakten
    – Struktur / Mitarbeiter
    – Finanzierung
    – Partner
    – Projekte, Sache die ich interessant finde
    – Wie bin ich darauf gestossen?
    – Warum ist es Relevant für mich?
    – Wieso gerade diese Experten?
    – Was möchte ich genau wissen?
    – Argumentation für das Warum des Interviews (Ziel/Sinn/Nutzen)
  • Leitfaden erstellen (3 Themenblöcke)
    – Person / Institution / Stellung / Mitarbeiter
    – Spezifischer / Kunden / Finanzen / Struktur / Projekt
    – Anteilnahme / Resonanzen / Grenzen / Politischer Bezug
    – Abschliessend: Fragen an mich?
    – Fallen Ihnen noch andere ähnliche Projekte ein?
    – Danke für den Einblick / Kontakt hinterlassen
    ! keine ja/nein Fragen
    ! keine Suggestivfragen
    ! Fragen auf Basis von Steckbrief entwickeln

Interviewsituation

  • Begrüßung
  • Kurz Vorstellen
  • Einverständniserklärung
  • Aufnahme starten
  • 2-3 allg. Fragen zur Person / Institution, damit sich die Situation entspannt und man ins Gespräch kommt
  • Fragen stellen
    – ggf. Themenblöcke variieren, je nach Sprechfluss
    – keine Scheu nachzufragen / Rückfragen / Einhaken
    – Abschliessend: Fragen an mich?
    – Fallen Ihnen noch andere ähnliche Projekte ein?
    – Danke für den Einblick / Kontakt hinterlassen

Nachbereitung

  • Transkription / Teiltranskription
  • Themen, die nicht vorgesehen waren, ausarbeiten (Spannung!)
  • ggf. ergeben sich Überraschungsmomente für mich
  • ggf. ergeben sich neue oder tiefere Themen für mich
  • eigene Einschätzung / Auswertung schreiben
  • Erfahrungsbericht der Interviewsituation beschreiben (Probleme?)
  • Codieren des Transkript, damit es vergleichbar wird
  • Vergleichen, falls es möglich ist
  • Gegenüberstellungen / Fakten / Fragen notieren
  • ggf. Tendenzen oder Kontroversen herausarbeiten (Themenfindung?)
  • Stimmungsbild / Einblick beschreiben bzw. dokumentieren

Fragen

  • Wie war es vor 10 Jahren?
  • Wie ist es heute?
  • Wie ist die Prognose in 10 Jahren?
  • Was ist die Rolle der Stadtverwaltung?
  • x Jahre xx (5 Jahre? Wächterhäuser) im Osten Leipzigs, hat sich dadurch die Aufmerksamkeit im Stadtteil geändert?
  • Inhaltliche Fragen (Fakten nur als Bezug)
  • Überraschungen gewünscht (gute Fragen stellen)

Presseschau 15. Juli 2015

30. Mai oder Tausend Jahre Leipzig (Kommentar)

Hufenreuter, Henry: 30. Mai oder Tausend Jahre Leipzig. Kommentar. In: Neustädter Markt Journal (2015), Nr. 2, S. 41.

Mit der »Parade der Unsichtbaren«, trugen am 30. Mai 2015 die »etwa tausend, jüngere, meist wohl links oder alternativ orientierte Menschen« den kreativen Protest »diesmal angenehm friedlich, in die Innenstadt. Sie wollten auf jene aufmerksam machen, an denen der Boom Leipzigs vorbei geht: Arme, Alte, Ausländer, Ausgegrenzte. Erstaunlich nur, dass jene, zu deren Anwälten man sich machte, im Zug eher fehlten. Hier wie auf der anderen Seite offenbar Wahrnehmungs- und Identifikationsprobleme.« (Hufenreuter, S.41)

Hier zeigen sich gleich mehrere »Probleme«, die in der ganzen Stadt zu spüren sind. Zum einen gibt es eine Antikapitalismushaltung in der jüngeren Bevölkerung. Das ist vor allem die Wende-Generation, die in der Übergangszeit die Freiräume für sich entdeckt und genutzt hat. Gleichzeitig spricht diese Gruppe nur für sich und schiebt gern andere »Ausgegrenzte« vor, um sich besser rechtfertigen zu können. Die genannten Gruppen sind aber nie vertreten. Hier geht es einfach nur um Protest, Antipathie, Engstirnigkeit und vor allem Desinteresse. Ich weiss das so gut, weil ich selbst viel mit diesen Menschen zu tun hatte. Um eine ehrliche Haltung gegenüber Armen, Alten, Ausländern und Ausgegrenzten geht es hier leider nicht. Und ebenfalls nicht um einen Dialog mit diesen. Henry Hufenreuter hat das sehr präzise und undogmatisch in seinem Kommentar zusammengefasst. Ein weiteres »Problem« ist, dass die Idententifikation mit Leipzig fehlt. Die Stadt selbst möchte eine »« (Zitat Stadtmarketing) und in die Zukunft gehen. Damit können sich aber nur Menschen identifizieren, die entsprechend die Spielregeln kennen und mit einem gewissen Budget ausgestattet sind. Das betrifft vor allem Zugezogene, oder vorübergehend Weggezogenem die mit gefüllten Konten oder guten Stellenangeboten nach Leipzig ziehen. Die Leipziger selbst, haben eher andere Sorgen. Leipzig hat die »höchste Arbeitslosenquote in Deutschland« (Quelle) und das Präkariat wächst weiter. Die Stadt will feiern und gute Stimmung machen, aber jenseits der Immobilienbranche, gibt es keinen Grund dafür.

Es gibt viel Unsichtbares in Leipzig, aber stigmatisieren würde ich dafür keine Menschen. Hier stellen sich direkt die Fragen:
Wer ist Arm?
Wer ist Alt?
Wer ist Ausländer?
Wer ist Ausgegrenzt?
Was ist mit Kinder, Frauen und Invaliden? ;)

30-Mai-oder-Tausend-Jahre-Leipzig