Welzer, H. (2014). Selbst Denken. Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.
Gelesen / Exzerpt: 25.8.2015 / 25.8.2015
Standort: eigene Sammlung
Abstakt
Harald Welzer reflektiert sein eignes Handeln und Denken und regt damit zum selbst denken an. Für Ihn ist denken der 1. Schritt des Handels, um den Transformationsprozess vom Heute in die Moderne zu gestalten. Der Wandel kann durch jeden einzelnen, und seien es noch so minimale Änderungen, eingeleitet werden. Welzer zeigt wie es geht und gibt uns mit diesem Buch einen wenig dogmatischen, dafür amüsanten Leitfaden in die Hand. Anmachen gewünscht, Selbst denken gefordert. Harald Welzer ist ein deutscher Soziologe, Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung »Futurzwei« und seit Juli 2012 Honorarprofessor für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg.
Ausarbeitung
»Utopien können gefährlich werden, wenn sie in die Hände von Leuten geraden, die aus ihnen mit aller Macht Wirklichkeit machen wollen. Aber Utopien sind ein großartiges Mittel, um Denken und Wünschen zu üben: sich einen wünschbaren Zustand in einer denkbaren Zukunft zu imaginieren, macht den Status Quo zu lediglich einer Variante von vielen möglichen Wirklichkeiten.« (S.136) Eine Variante dieser Visionsformulierung gibt Rob Hopkins als Motivationshilfe: »Sie schicken sich selbst eine fröhliche Postkarte aus der Zukunft« (S.143, Flintoff) Vom diesem Szenario ausgehend, kann der Weg dorthin rekonstruiert werden. Dieser Prozess heisst »backcasting« oder nach Edmund Husserl »Vorerinnerungen: das sind mentale Vorgriffe auf etwas erst in der Zukunft Existierendes«. (S.136) Für Welzer spielen sie ebenso wie Rückblicke ein wichtige Rolle und geben zusammen ein »Orientierungsmittel für die Ausrichtung von Entscheidungen und Handlungen in der Gegenwart«. (S.136) Alfred Schütz nennt diesen Vorentwurf der vergangenen Zukunft »antizipierte Retrospektionen«. Dieser schaut auf viele kleine Details, auf eine schönere, gerechtere und nachhaltiger vorerinnerte Zukunft als der einfache Blick auf Morgen. Gleichzeitig warnt Welzer vor den Gefahren, Utopien als Masterpläne direkt umsetzen zu wollen. Die Nachteile der zwanghaften »Beglückungsvorstellung« sind mit dem Utopien des Kommunismus und Nationalsozialismus offensichtlich. Utopien implizieren keinen Plan zur Umsetzung, sondern eröffnen Handlungsräume, die im Kleinen ausprobiert, abgebrochen, pausiert, verworfen oder weiterentwickelt werden können — »ein Patchwork aus unterschiedlichen Experimenten: welche Erfolge und Probleme die Implementierung von Cradle to Cradle in der diversifizierten Produktion mit sich bringt[., 1]« (S.139) Aber die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Zeitrhythmen des Wandels sollten nicht als Problem betrachtet werden. Welzer beschreibt die »Transformation, wie immer sie aussieht, [als] widersprüchlich, uneinheitlich, ungleichzeitig.« (S.140) Und der Blick in die Geschichte zeigt, dass formative Revolutionen tiefgreifender Wandel herbeigeführt haben als politische. Deswegen braucht die nachhaltige Moderne keinen Masterplan, sondern einen Weg der Utopie ist.
»Selbst unter repressiven staatlichen Bedingungen kann es eine Frage lokaler Kulturen sein, welches Verhalten Menschen an den Tag legen, wenn es um Fragen des Umgangs mit ausgegrenzten Personengruppen geht.« (S.182) »Eine gelebte Kultur der Zugehörigkeit« fördert nach Welzer gemeinschaftliche Aktion statt konspirative. (S.183) »Es wird meist unterschätzt, wie wichtig eine gelebte Kultur für die Entscheidungen der Einzelnen ist(, und überschätzt, welche Rolle Wissen und Ethik für individuelle Handlungen spielen).* […] Warum? Weil gelebte lokale oder professionelle Kulturen WIR-Bilder bei ihren Mitgliedern hervorbringen, die ein bestimmtes Verhalten kategorial ausschliessen, ein anderes dafür voraussetzen.« (S.184) Ein nachhaltiger Lebensstil und Umgang darf nicht nur gedacht, sondern muss Teil der »lebensweltlichen Praxis« sein. (S.184)
»Lokale Kulturen sind für die Entwicklung und Etablierung neuer Handlungsnormen von entscheidender Bedeutung.« (Welzer, S.185) Sie zeichnen sich durch Identität, miteinander lernende Dialoge [Austausch] und gruppenspezifisches Handlungswissen [Repertoire, 2] aus, setzen Handlungsbereitschaft, Mut, Selbstvertrauen, Phantasie frei und erzeugen Selbstwirksamkeit. (Welzer, S.186/187) Solche Kulturen, wie z.B. der Transition-Town-Bewegung, müssen keineswegs formelle Organisationsstrukturen zugrunde liegen. Was bedeutet das für mich? Was bedeutet das für mein Tool? Was sind formelle und informelle Organisationsstrukturen?
Resilienz bedeutet: Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und Bedrohungen.(S.188) Das Prinzip beruht nach dem Historiker Greg Bankoff auf einer Kombination aus kurzfristigem Altruismus und langfristigem Eigeninteresse. (S.190) Eine Verrechnung erfolgt nicht monetär, sondern aus Leistung und Gegenleistung. Diese von Welzer moralische Ökonomie genannt stellt eine »starke Ressource auf dem Weg in eine nachhaltige Moderne dar«. (S.191)
Grundlage sind lokale Kulturen und Techniken, die natürlich auch auf Open-Source-Ressourcen zurückgreifen können, aber diese im Kleinen organisieren und nutzen. »Communitybasierte Projekte sind ohne politische Programmatik gemeinwohldienlich und daher für viele Beiträger attraktiv.« (S.193) Parteien verlieren dadurch einen essentiellen Zuständigkeitsbereich, der im 20. Jahrhundert noch außenpolitisch unvorstellbar war: Kommunikation. Dieses Dilemma / Diese Entwicklung wird sicher auch durch die sinkenden Wahlbeteiligungen und abnehmenden Parteimitgliederzahlen ersichtlich. Das scheinende politische Desinteresse wird durch den kommunikativen und politischen Strukturwandel, wie Open Source Netzwerke, Leaks, Social-Media-Kanäle, Adhokratie ersichtlich. (S.193) Die »Formen des Engagements und der politischen Beteiligung [weisen] auf ein höheres Autonomie- und geringeres Festlegungsbedürfnis der Akteure hin.« (S.194) Wie es Marco Mass zusammenfasst, müssen Festlegungen, Beharrlichkeit, Standfestigkeit in der Politik von Morgen kein Stärkebarometer Idee, siehe Wetterkarte Merkel / Putin sein, sondern Flexibilität, Autonomie und Korrekturbereitschaft. (sinngemäß zusammengefasst. Zitat ggf. raussuchen. Bezug zu Zeit oder Zeile im Transkript)
»Netzkommunikation [hat] ein enormes Mobilisierungspotential und entfaltet dabei eigene Logiken der Vergemeinschaftung, die ungeheuer machtvoll sein können« (S.194) In Zukunft werden die beiden Ebenen Online und Offline zu einer natürlichen Kulturtechnik verschmelzen, die das politische sowie gesellschaftliche privat und gleichzeitig öffentlich macht. Welzer empfiehlt »um die vorhandene Engagementsbereitschaft abrufen zu können, bedarf es ganz offensichtlicher neuer Beteiligungs-, Veranstaltungs- und Diskursformate.« (S.196) »Das Potential für einen Wandel ist da,« wir müssen »ihn nur konkret und attraktiv machen.« (S.198) Dabei gilt es, dort anzusetzen, wo bereits Handlungsbereitschaft praktiziert wird, von neunen Assoziation- und Aktionsformen lernen, veränderte Kommunikations- und Mobilisierungsformen berücksichtigen, um Widerständigkeit zu lernen.
1 | …, wie genossenschaftliche Organisationsformen auf große Konzernstrukturen zu übertragen sind, wie reduzierte Mobilität mit besserer Gesundheits- und Bildungsversorgung gekoppelt werden kann, wie ein verändertes Energieregime Veranderte Beteiligungsformen fordert usw. (S.140)
2 | Repertoire: Ressourcen, Instrumente, Werkzeuge, Geschichten, Erfahrungen, Routinen, Kniffe, Techniken
Gliederung (weitere ggf. relevante Kapitel)
Achtsamkeit »Das unerwartete managen«
Ohne Masterplan
2033 (S.160) lesen!
Moralische Ökonomie »Der Mensch ist grundsätzlich prosozial.«
Wertorientierung Jugendlicher (S.196p)
»Gesellschaftliches Interesse ist für die Jugendlichen ausdrücklich nicht mit politischem Interesse identisch. Alles was mit Politik zu tun hat, ist deutlich negativ konnotiert.«
Alphabetisierung für eine nachhaltige Moderne: (S.199pp)
Zeit
Sparsamkeit
Verantwortung
Tod
Reparieren, Nutzungsinnovationen
Genossenschaften
Bündnisse
»Postdemokratie«, »Entpolitisierung der Öffentlichkeit«
Handlungsspielräume (S.222pp)
Umbequemlichkeit
Sich selbst ernst nehmen
Politik und Geschichte (S.239)
Die Gegengeschichte
Vorbilder
Staudinger denkt selbst
…
Eine Anleitung zum Widerstand (S.282)
12 Regeln für erfolgreichen Widerstand (S.293)
Weiterführend
antizipierte Retrospektionen, Alfred Schütz
Cradle to Cradle
politische Revolution
formative Revolution
konspirativ
Transition-Town-Bewegung
formelle Organisationsstruktur
informelle Organisationsstruktur
Communities of Practice
Resilienz-Gemeinscahften? und Commons
abgeordnetenwatch.de
netzpolitik.de
Relevanz
Begründung und Notwendigkeit der gesellschaftliche Relevanz
Ideengeber
Weiterverarbeitung
Gliederung und Einleitung
Kapitel: 1 Gegenstand und 2 Bestandsaufnahme
Vernetzungen
Rob Hopkins
Christian Felber
Silke Helfrich
David Bollier
Grundgesetz